Eisige Temperaturen am Lake Michigan, Chicago. Foto: dpa

Seit Tagen legt eine gefährliche Kältewelle den mittleren Westen der USA lahm, mehr als 30 Menschen starben. Was steckt hinter dem Phänomen – und wie gehen die Menschen damit um?

Chicago/Potsdam - Seit Tagen lähmt eine eisige Kälte den mittleren Westen der USA. Mehr als 30 Menschen starben bislang. Wie gehen die Menschen damit um – und was steckt hinter diesem Wetterphänomen? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Wie ist die Lage im mittleren Westen der USA?

Die arktischen Temperaturen in den USA lassen nur langsam nach. Das öffentliche Leben war im mittleren Westen auch am Donnerstag weitgehend lahmgelegt: Schulen und Firmen, Geschäfte und Behörden in Chicago und der Region blieben geschlossen. Mit -31 Grad Celsius erlebte Chicago die zweitniedrigste dort je gemessene Temperatur, auch in anderen Städten war es so kalt wie seit 30 Jahren nicht mehr. Mindestens 21 Menschen starben bislang durch die gefährlichen Temperaturen, Hunderte sind wegen Erfrierungen und anderen kältebedingten Fällen in Krankenhäusern. Zwar beginnen die Temperaturen im Bundesstaat Illinois derzeit wieder zu steigen, doch die Kältewelle zieht nun weiter in den Osten – und verbreitet von Buffalo bis Brooklyn arktische Konditionen.

Was bedeutet die Kälte für die Menschen dort?

Die Temperaturen seien lebensgefährlich, sagte etwa Chicagos Bürgermeister Rahm Emanuel. Innerhalb von fünf Minuten drohten Erfrierungen an ungeschützter Haut, warnte der Nationale Wetterdienst der USA. Die gefühlte Temperatur lag in Chicago zeitweise wegen eines eisigen Windes sogar bei Minus 46 Grad. Für Obdachlose wurden Wärmestuben eingerichtet. Das extreme Wetter hatte aber auch Auswirkungen auf die Infrastruktur der Region: Der öffentliche Nahverkehr wurde großteils eingestellt, in Chicago wurden Bahnschienen zwischenzeitlich sogar mit Feuer gewärmt. Es gab Probleme bei der Strom- und Wasserversorgung. In den Bundesstaaten Michigan und Minnesota drohten zudem Engpässe in der Versorgung mit Erdgas, weil die Heizungen überall auf Hochtouren liefen.

In den sozialen Netzwerken verbreiteten sich unter dem Hashtag #chiberia Bilder aus dem frostigen Chicago. Was hat es damit auf sich?

Das Wort ist nicht neu – schon seit einigen Jahren wird es immer dann benutzt, wenn Chicago eine extreme Kältephase durchlebt. Der Begriff wurde von einem Meteorologen geprägt – und verbindet die beiden Worte „Chicago“ und „Sibirien“, auf Englisch: „Siberia“. Auch in diesen Tagen posten und teilen Menschen aus den USA unter dem Hashtag Fotos und Videos – und berichten von ihren Erlebnissen in der Kälte.

In Chicago etwa war der See zugefroren:

Viele Bewohner konnten der Kälte so auch etwas Positives abgewinnen – und staunten über das Naturphänomen.

Was steckt hinter dem Kälteeinbruch in den USA?

Ursache ist arktische Luft, die sich vom sogenannten Polarwirbel gelöst hat: „Von Zeit zu Zeit kann die arktische Luft, die normalerweise wie eingezäunt auf dem Pol festsitzt, dort ausbrechen und auf die angrenzenden Kontinente wandern“, sagt der Leiter des Bereichs Erdsystemanalyse beim Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Stefan Rahmstorf. Das passiere vor allem, wenn der Polarwirbel schwach sei, zusammenbreche, sich umdrehe oder – wie jetzt – in zwei Teile zerbreche. Der der stratosphärische Polarwirbel ist ein Band sich schnell bewegender Winde 30 Kilometer über dem Boden. Er kreist normalerweise um den Nordpol. Im Winter, wenn der Polarwirbel durch nach oben wehende Luftmassen gestört wird, kann das zu Kälteeinbrüchen über dem Nordosten Amerikas oder Eurasien führen, heißt es vom PIK.

Hat das etwas mit dem Klimawandel zu tun?

US-Präsident Donald Trump hat wegen der extremen Kälte in den USA die globale Erwärmung und damit den Klimawandel angezweifelt:

Doch Klimaforscher sehen das anders. Solche Kälteausbrüche bezeichnete der Forscher als ungewöhnlich, nach einer Datenauswertung des PIK seien sie aber in den vergangenen Jahrzehnten um ein Mehrfaches häufiger geworden. Die Forscher rechnen deshalb auch in den kommenden Jahren mit häufigeren Kälteausbrüchen als Folge der Schwäche des Polarwirbels. „Mehrere Studien gehen davon aus, dass das mit der schwindenden Meereisdecke auf dem arktischen Ozean zu tun hat, insbesondere auf der Barents-Kara-See“, sagt Klimaforscher Stefan Rahmstorf. „Die schrumpfende Meereisdecke ist eine Folge der globalen Erwärmung und unserem Treibhausgasausstoß. Die Tatsache, dass der Polarwirbel häufiger und länger instabil wird, ist daher wahrscheinlich auch eine Folge der globalen Erwärmung.“

Europa und Asien sind nach Angaben des Wissenschaftlers noch stärker und häufiger von Kaltluftausbrüchen aus der Arktis betroffen. „Hier sieht man sogar seit der Jahrtausendwende eine Serie besonders kalter Winter – allerdings nicht bei uns in Deutschland, aber weiter östlich mit Zentrum Sibirien“, sagte Rahmstorf. „Es ist ein Phänomen, das wahrscheinlich durch die globale Erwärmung häufiger auftritt.“ Nach Einschätzung von Rahmstorf folgt daraus aber nicht unbedingt, dass eine so extreme Kälte häufiger wird, denn das Ganze passiere im Zusammenhang mit globaler Erwärmung.

Wie geht es in den kommenden Tagen weiter?

Derzeit zeigt das Thermometer in Chicago etwa -15 Grad Celsius an, die Temperaturen sind also nicht mehr ganz so extrem. Doch auch an diesem Freitag soll es kalt bleiben. Am Wochenende müssen die Amerikaner dann aber einen kräftigen Kreislauf beweisen: Dann können die Temperaturen vielerorts um mehr als 30 Grad Celsius klettern und fast 20 Grad Celsius plus erreichen.

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