Auf Pokémonjagd im Stuttgarter Schlossgarten: Die ganze Stadt scheint im Fieber zu sein. Foto: Spanhel

Seit einer Woche nun ist das Smartphone-Spiel „Pokémon Go“ in Deutschland offiziell verfügbar. Auch in Stuttgart ziehen die Monsterjäger scharenweise umher, scheuen auch nicht vor Krankenhäusern zurück. In der Stadt sieht man das bislang locker.

Stuttgart - Der Hype um die virtuelle Monsterjagd lässt nicht nach, auch eine Woche nachdem „Pokémon Go“ offiziell für Smartphones in Deutschland verfügbar ist noch nicht. Auf dem Schlossplatz, vor der Oper oder auf dem Marienplatz sitzen zu beinahe jeder Tageszeit dutzende junge Menschen, die Blicke auf den Smartphonedisplays, um die kleinen Tierchen zu erspähen, die die App ihnen mittels GPS auf einer Karte anzeigt. Eine Stadt im Pokémon-Fieber, könnte man meinen, aber ist es wirklich die ganze Stadt? Viel wurde inzwischen berichtet über Ärger mit den Monstersammlern, darüber, dass sie selbst vor Gedenkstätten, Mahnmalen, vor Krankenhäusern oder Friedhöfen keinen Halt machen.

Monsterjagd könnte Krankenhausbetrieb stören

„Es gibt unangemessene Orte, um Pokémon zu jagen“, sagt Alex, Administrator der Stuttgarter Pokémon-Go-Facebookgruppe. „Für Krankenhäuser muss das aber nicht unbedingt gelten.“ Mitglieder der Facebookgruppe haben einen Aufruf gestartet, der auch Kindern, die in Stuttgarter Krankenhäusern stationiert sind, die Jagd auf die kleinen Monster ermöglichen soll. In der Nähe der Stuttgarter Krankenhäuser sollen sogenannte Lockmodule gezündet werden, die für einen bestimmten Zeitraum eine große Menge Pokémon anlocken. Eine ähnliche Aktion gab es wohl bereits in Tübingen. Dadurch, so jedenfalls die Idee, sollen die kleinen Patienten vom Bett aus die virtuellen Monster fangen können, ohne dafür das Krankenhaus verlassen zu müssen. „Für Kinder, die im Bett liegen müssen, ist das eine gute Sache“, sagt Alex, und berichtet, dass in den USA einige Krankenhäuser das Pokémon-Spiel bereits in die Therapie einbinden würden, um kleinen Patienten die Angst vor dem Krankenhaus zu nehmen.

Geplant sind die Aktionen bisher für das Olgahospital als Kinderkrankenhaus sowie für das Karl-Olga-Krankenhaus. Im Olgahospital weiß man nichts von dem Aufruf – und betrachtet die Sache nur bedingt als eine gute Idee. „Das ist sicher gut gemeint“, sagt eine Sprecherin, „bei aller Freude am Spielen ist das Olgahospital aber ein Krankenhaus, in dem kranke Kinder und Jugendliche behandelt werden.“ Leute, die im Krankenhaus auf Jagd gehen, seien daher ungern gesehen – man sei dankbar, wenn aus Rücksicht die Monster nicht ins Krankenhaus gelockt würden. Auch eine Sprecherin des Karl-Olga-Krankenhauses warnt: „Das ist alles im Rahmen, solange die Versorgung der Patienten durch die Monsterjagd nicht gefährdet wird.“ Bislang seien Pokémon-Spieler im Krankenhaus aber nicht negativ aufgefallen, so die Sprecherin, und auch aus dem Stuttgarter Robert-Bosch-Krankenhaus heißt es, es habe bislang keine gefährlichen Vorkommnisse mit Monstersammlern gegeben.

Stadt und Einzelhandel sehen den Hype um das Spiel als Chance

Während in anderen Städten – beispielsweise in Amsterdam – Krankenhäuser oder andere öffentliche Institutionen die Besucher dazu aufforderten, beim Spielen von „Pokémon Go“ nicht mehr in die Gebäude vorzudringen, sieht man die Monsterjagd in Stuttgart eher locker. „Bislang ist uns hier noch nichts Unangemessenes aufgefallen“, sagt Sven Matis, Sprecher der Stadt, und auch die Polizei weiß von keinen Vorfällen. Natürlich würden auch für die Pokémon-Spieler Regeln des Anstands gelten, sagt Matis, man appelliere an die Nutzer, weiter „mit offenen Augen durch die Stadt zu gehen.“

Immerhin, das Spiel locke junge Leute auf die Straßen und Plätze der Stadt, sagt der Sprecher der Stadt. Während ein paar wenige Händler über die unachtsamen Handyspieler klagen, die sich allerorten herumtreiben, sehen viele in der Stuttgarter Innenstadt das Pokémon-Fieber positiv. „Das Spiel bietet natürlich die Chance, die Frequenz rund um den eigenen Laden zu erhöhen“, sagt Sabine Hagmann, Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbandes Baden-Württemberg mit Sitz in Stuttgart. Einige Einzelhändler wüssten den Hype um das Monsterspiel bereits für sich zu nutzen, sagt Hagmann, wenn auch noch etwas „amateurhaft“.

„Manche bieten beispielsweise Rabatte für Pokémon-Fänger“, sagt sie, nutzen das Spiel also zu Marketingzwecken. Auch in den sozialen Netzwerken tauchen hin und wieder bereits Aufrufe von Läden auf, die damit werben, Lockmodule gezündet zu haben – also besonders viele Pokémon bieten können. Und Restaurants weisen im Netz und auf Tafeln immer häufiger auf sogenannte „Pokéstops“ hin, also eine Stelle, an der besonders viel zu holen ist.

Der anfängliche Hype reißt nicht ab

Wer im Stuttgarter Stadtgebiet unterwegs ist, sieht, wie sich Spieler zur gemeinsamen Pokémon–Jagd verabreden, wie sie „Pokéstops“ und andere „Hot Spots“ der Stadt vermehrt ansteuern. Als „Hot Spots“ gelten Bereiche, die über möglichst viele nah beieinander gelegene „Pokéstops“ verfügen und im Idealfall von einer „Pokémon-Arena“ komplettiert werden, also einem Ort, an dem von den Spielern abwechselnd Lockmodule gezündet werden, oder an dem man gegen andere Spieler antreten kann.

„Lockmodul-Partys“ heißt das dann – dazu verabreden sich Pokémon-Spieler mittlerweile in verschiedenen Facebook- oder Whatsapp-Gruppen. Auf den Online-Plattformen werden außerdem die aktuellen Fundorte von seltenen Pokémon mit anderen Spielern geteilt. Es gibt bereits eine interaktive Karte von Stuttgart und der Region, auf der eine Vielzahl an Fundorten verschiedener Pokémon verzeichnet sind. Beliebte Stuttgarter Orte für die Pokémon-Jagd sind beispielsweise der Schlossplatz und Eckensee, der Schlosspark, der Killesberg Park, das Universitätsgelände Stuttgart-Vahingen oder die Wilhelma.

Großstadtbewohner im Vorteil

Großstadtbewohner haben es bei Pokémon Go übrigens bedeutend leichter als Spieler, die in einer Kleinstadt oder in ländlicher Umgebung wohnen. In großen Städten gibt es einfach viel mehr Pokéstops, Arenen und andere Spieler zum gemeinsamen Sammeln. Auch die Lockmodul Partys finden dort viel öfter statt. In einer, aus Pokémon-Go-Sicht abgelegeneren Gegend haben Spieler den Nachteil, dass sie ihr Level im Spiel langsamer erhöhen und für das Ansteuern der „Pokéstops“ mehr Zeit einplanen müssen, da diese viel weiter auseinander liegen.