Kanzlerin Merkels ehemals engster Mitarbeiter, Ronald Pofalla (rechts), soll als Lobbyist in den Vorstand der Bahn wechseln Foto: dpa

Wenn Politiker als Lobbyisten in die Wirtschaft wechseln, nehmen sie Kontakte und Erfahrungen mit. Kritiker sind alarmiert, dass Konzerne dabei nicht zum ersten Mal ausgerechnet im Kanzleramt fündig werden.

Berlin - Der Wechsel des ehemaligen Kanzleramtsministers Ronald Pofalla (CDU) zum Vorstand der Deutschen Bahn sorgt für Unruhe in der großen Koalition. „So entsteht allmählich der Eindruck, Regierung und Parlament verkommen zur Kaderschmiede für Lobbyisten“, sagt der Dortmunder SPD-Abgeordnete Marco Bülow unserer Zeitung. Er forderte Pofalla auf, sein Mandat niederzulegen. „Das ist das Mindeste, was er nun tun muss.“ Bülow spricht sich zudem dafür aus, „beim Wechsel von Regierungsmitgliedern und Staatssekretären in den Bereich des Lobbyismus eine Karenzzeit von zwei bis drei Jahren einzuführen“. Er sieht durch die Wechsel hochrangiger Politiker in den Lobbyismus eine „Wettbewerbsverzerrung“, da sich „nur einige starke Unternehmen solche Kontakte kaufen können“.

Auch für FDP-Bundesvorstandsmitglied Hartfrid Wolff hat Pofallas Schritt „einen faden Beigeschmack.“ Wie Bülow plädiert Wolff für eine Karenzzeit und findet „sechs Monate“ für angemessen.

Immer wieder sorgt der Seiten-Wechsel von Politikern, die als Türöffner zu großen Unternehmen gehen, für Ärger. Union und SPD sind sich der Brisanz des Themas bewusst. Im Koalitionsvertrag der Parteien wird wenig konkret die Absicht erklärt, derartige Wechsel zu regeln, um für „Transparenz“ zu sorgen und den „Anschein von Interessenkonflikten“ zu vermeiden.

Gelegentlich wird der Ruf nach „Karenzzeiten“ laut, damit es nicht zum „fliegenden Wechsel“ kommt. In England dürfen frühere Minister nach dem Verlassen ihres Amtes zwei Jahre lang nicht als Lobbyist anheuern.

Im Fall Pofalla deutet vieles darauf hin, dass sein Wechsel zur Bahn bereits seit Monaten vorbereitet worden war. So hatte Pofalla bereits Ende November bei seinem überraschenden Ausscheiden aus dem Kabinett Merkel einen späteren Wechsel in die Wirtschaft angedeutet. Bei dieser Gelegenheit begründete er seinen Rückzug aus der ersten Reihe der Politik vor allem mit privaten Motiven: Er wolle, so seine Botschaft, eine Familie gründen.

Die CDU-Basis in Pofallas niederrheinischen Heimat reagiert verärgert. Man sei „irritiert“, sagt der Vorsitzende im Kreis Kleve und NRW-Landtagsabgeordnete Günther Bergmann. Er habe bereits rund 50 Anrufe bekommen, mit dem Tenor: „Wir sind im Wahlkampf für den gelaufen, und jetzt das“.Viele Mitglieder gingen davon aus, „dass das mit dem neuen Job schon vorher klar war“. Er kritisierte zudem Pofallas Informationspolitik. Er selbst sei nicht informiert worden und könne Pofalla nicht erreichen. „Kein Bild, kein Ton.“ Pofalla hatte in seinem Wahlkreis bei der Bundestagswahl mit 50,9 Prozent erneut ein Direktmandat gewonnen.

Pofalla wie der Bahn dürfte es ungelegen kommen, dass der Seitenwechsel vorzeitig bekannt wurde. Schon vor Monaten war die Aufregung groß, als Eckart von Klaeden (CDU), vier Jahre als Staatsminister im Kanzleramt eng mit Pofalla zusammen, seinen Wechsel als Daimler-Cheflobbyist bekannt gegeben hatte. Offenbar will Pofalla nicht sofort in den Bahntower wechseln, sondern eine Auszeit nehmen. Wie lange, ist unklar. Bei der Bahn soll für den ehemals engsten Mitarbeiter der Kanzlerin ein eigenes Vorstandsressort für Regierungskontakte geschaffen werden. Für Regierungskontakte war bereits in den vergangenen Jahren ein lang gedienter Unionspolitiker tätig: Georg Brunnhuber, der bis zu seinem Ausscheiden aus dem Bundestag unter anderem Chef der Gruppe der Südwest-Parlamentarier war, erreicht 2015 die Altersgrenze und wird seinen Posten räumen. Pofalla hatte in seinem bisherigen Job viel mit der Bahn zu tun. Die Gespräche über die Finanzierung der Mehrkosten beim Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 im vergangenen Jahr liefen über das Kanzleramt.

Die Organisation Lobbycontrol fordert von Pofalla eine Klarstellung, seit wann er mit der Bahn über die neue Tätigkeit verhandelt hat. Er müsse offenlegen, welche Fragen er in der Vergangenheit mit der Deutschen Bahn besprochen hat und wo er sich in der Regierung für die Bahn eingesetzt habe. Verbürgt ist, dass sich Pofalla allein zwischen 2010 und 2012 neun Mal mit Bahn-Vertretern getroffen hat. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Frage der Linkspartei hervor.

Bahn wie Bundesregierung weigern sich, die Personalie zu kommentieren. Das Bundesverkehrsministerium will sich erst äußern, wenn sie Gegenstand des Aufsichtsrats wird. Und der tagt erst wieder im März.