Bahnchef Rüdiger Grube (links) und der ehemalige Kanzleramtsminister Ronald Pofalla Foto: Rheinische Post

Im Koalitionsvertrag bekennen sich Union und SPD zu mehr Transparenz bei Seitenwechseln von Ex-Politikern. Dazu, dass der frühere Minister Pofalla als Bahnmanager gehandelt wird, herrscht aber großes Schweigen.

Im Koalitionsvertrag bekennen sich Union und SPD zu mehr Transparenz bei Seitenwechseln von Ex-Politikern. Dazu, dass der frühere Minister Pofalla als Bahnmanager gehandelt wird, herrscht aber großes Schweigen.

Berlin - Fahrgäste kennen es von Durchsagen am Bahnhof, wenn bei ihrem Zug plötzlich irgendetwas dazwischenkommt: „Störungen im Betriebsablauf“ heißt es dann schon einmal recht unbestimmt aus den Lautsprechern. Offenkundig nicht ganz fahrplanmäßig läuft gerade auch eine Angelegenheit, mit der die Bahn im politischen Berlin zu tun hat. Ronald Pofalla, Ex-Kanzleramtsminister und langjähriger Vertrauter von Regierungschefin Angela Merkel (CDU), ist vertraulich als Manager bei dem bundeseigenen Konzern im Gespräch. Das platzte unerwartet in die Öffentlichkeit - und lässt nun einige Fragen offen.

In Berlin sind es nur zwei Kilometer vom Bundeskanzleramt an der Spree bis zum gläsernen Bahntower am Potsdamer Platz. Dass der kurze Weg für einen beruflichen Seitenwechsel aber nicht unproblematisch sein könnte, dürfte den Beteiligten klar gewesen sein. Entsprechend einsilbig waren die Reaktionen, nachdem die Überlegungen vorzeitig bekanntgeworden waren. „Da Herr Pofalla der Bundesregierung nicht mehr angehört, habe ich auch hier nichts zu erklären“, sagte Vize- Regierungssprecher Georg Streiter am Freitag. Die Bahn und Pofalla selbst erklärten sich auch am Wochenende öffentlich nicht.

Dabei war schon der Abgang des CDU-Mannes aus der ersten Reihe der Politik ein Paukenschlag gewesen. Als Union und SPD Mitte Dezember das neue Kabinett zusammenstellten, wurde der für manches Ressort gehandelte Pofalla - nichts. Er hörte als Kanzleramtsminister auf und behielt nur sein Bundestagsmandat. Mehr Zeit fürs Private wolle er haben, hieß es über den 54-Jährigen, und dann - nach einer Auszeit - in die Wirtschaft wechseln.

Dass es ausgerechnet um die Bahn gehen würde, war die nächste Überraschung. Denn bei dem Transportriesen sind die wichtigen Weichenstellungen noch immer hochgradig politisch. Als Kanzleramtschef gehörten Bahn-Themen und Bahn-Kontakte für Pofalla denn auch zur Stellenbeschreibung. Neunmal traf er sich seit 2009 mit Konzernvertretern zu Gesprächen. Über ihn und Bahnchef Rüdiger Grube heißt es in Berlin, sie hätten einen guten Draht.

Ungewiss ist die weitere politische Diskussion

Hinter den Kulissen soll es schon seit einiger Zeit Thema bei der Bahn gewesen sein, die Lobbyarbeit zu forcieren. Denn Ärger gibt es nicht nur um Großprojekte wie Stuttgart 21 regelmäßig. Vor allem die EU-Kommission zielt hartnäckig darauf, den Konzernverbund mitsamt dem Gleisnetz aufzulösen, was aus ihrer Sicht mehr Konkurrenz ermöglichen soll. Überlegt wird daher, im Bahn-Vorstand ein eigenes Ressort für Politik zu schaffen. Das hatte es unter Grubes Vorgänger Hartmut Mehdorn schon gegeben, zuletzt ebenfalls mit einem Ex-Politiker besetzt: Bayerns früherem Verkehrsminister Otto Wiesheu (CSU).

Grube übernahm die politischen Kontakte seit seinem Amtsantritt 2009 aber selbst, begleitet von Beauftragten in Berlin und Brüssel. Nun liefert auch Mehdorn Argumentationshilfe für eine Neuordnung: „Solange jeder Bürgermeister in diesem Land die Bahn als sein Eigentum betrachtet, braucht der Konzern einen starken hauptamtlichen Lobbyisten“, sagte der Ex-Bahn-Boss. „Pofalla ist die perfekte Wahl.“ Ob dessen mögliche Berufung im Bahn-Aufsichtsrat durchgeht, der Ende März das nächste Mal tagt, muss sich erst zeigen.

Ungewiss ist auch die weitere politische Diskussion. Inwieweit war Kanzlerin Merkel in Pläne ihres Vertrauten eingeweiht und was hält sie davon? Und gäbe Pofalla für einen Wechsel sein Parlamentsmandat ab, wie es ihm nun auch aus der eigenen Partei geraten wird? Dass er als Manager eines großen Konzerns wie der Bahn nebenbei Bundestagsabgeordneter bleibt, wäre höchst ungewöhnlich. Wie lange eine „Abkühlphase“ bis zu einem möglichen Antritt bei der Bahn dauern müsste, ist ebenfalls unklar.

Dass für Wechsel ausscheidender Spitzenpolitiker ganz prinzipiell Handlungsbedarf besteht, haben übrigens auch Union und SPD erkannt. Im Koalitionsvertrag verabredeten sie - unter der Überschrift „Transparenter Staat“ -, eine „angemessene Regelung“ festzuschreiben. Harscher Gegenwind aus den Koalitionsreihen kam gegen Pofalla am Wochenende nicht auf. Ihn ziehe es ja nicht in die private Industrie, meinte SPD-Vorstand Ralf Stegner. Und: „Es ist kein handfester Skandal, wenn ein Regierungsmitglied zu einem Staatskonzern wechselt.“