Eine Frau will die Bahnfahrt von München nach Stuttgart im Speisewagen genießen. Dort begegnete sie einer Gruppe Fußball-Fans und traut ihren Ohren nicht.
Stuttgart - Samstagabend im Speisewagen eines ICE von München nach Stuttgart. Welten treffen aufeinander: die Welt gewisser Fußball-Fans - laut, derb, bierselig. Und die Welt von Reisenden, die lesen oder sich ruhig unterhalten. Die Ruhigen fühlen sich gestört. „Geht’s ein bisschen leiser?“, bittet ein junger Mann. Vergebens. Die Fans machen unbeeindruckt weiter. Irgendwann grölen die zehn Biedermänner in FC-Bayern-Trikots durch den Speisewagen: „Wir fi .... eure Frauen!“
Eine Reisende, schlägt ihr Buch zu und ergreift mutig das Wort. Sie wendet sich an die Speisewagen-Bedienung: „Lassen Sie das als Bahn zu?“, fragt sie. „Ist das hier die Norm?“ Die Bedienung reagiert ausweichend, hilflos. Was solle Sie tun?, fragt die zurück. Andere Reisende klinken sich in die Diskussion ein. Einer äußert Verständnis. Das seien halt Fans mit hohem Alkoholpegel: „Da darf man nicht so empfindlich sein.“
Fans pöbeln weiter
Die Schreihälse reagieren wütend auf den Einspruch der Mitreisenden: „Das Gesindel mit Buch soll das Maul halten“, schreit einer durch den Waggon. „Wir arbeiten die ganze Woche hart, am Wochenende wollen wir unseren Spaß haben!“
Die Frau, die die Diskussion angestoßen hat, lässt sich nicht einschüchtern. Später wendet sie sich an den Zugführer. „Ist das die Norm?“, fragt sie auch ihn. „Warum schreiten sie nicht ein?“ Der Zugführer erklärt, dass die Bahn auch Betrunkene befördern müsse.
„Sexismus pur“
In Fällen, in denen rechtsradikale oder rassistische Äußerungen fielen, werde man umgehend aktiv - wenn notwendig auch mit Hilfe der Bundespolizei. Die Frau überzeugt das nicht. Sie erinnert an die Sexismus-Debatte. Die frauenfeindlichen Gesänge im Speisewagen sind für sie Sexismus pur. Der Zugführer bedeutet der Dame, sie hätte sich umgehend an ihn wenden sollen. Wenn er nichts mitbekomme, könne er auch nicht reagieren.
In Ulm erledigt sich das Problem von selbst. Die Fans steigen aus. Zum Abschied beleidigt einer aus dem Haufen den Reisenden, der zuvor Verständnis gezeigt hatte, als „Arschloch!“ Das war damit auch verspielt.
An die Vernunft appellieren
Und was sagt die Deutsche Bahn dazu? „Die Zugbegleiter sind im Allgemeinen dazu angehalten, in solchen Fällen an die Vernunft zu appellieren und deeskalierend auf die Beteiligten einzuwirken“, sagt DB-Pressesprecher Werner Graf. Eine höfliche Bitte der Bahnmitarbeiter, die Lautstärke anzupassen, zeige in den meisten Fällen auch ihre Wirkung. Auch eine entsprechende Durchsage des Zugpersonals, mit dem Verweis auf Einhaltung einer angemessenen Lautstärke, sei eine Maßnahme.
Graf beschreibt die Problematik so: „Die Situation verlangt gewisses Fingerspitzengefühl von unseren Mitarbeitern. Generell haben wir Verständnis, wenn es an besonderen Anlässen, wie Karneval oder bei Fußballspielen etwas lauter zugeht. Trotzdem ist eine angenehme Atmosphäre im Abteil sehr wichtig.“
Finale Maßnahme
„Sollte die Bitte des Zugbegleiters oder die Durchsage im Zug nicht ausreichen, wird der Zugführer hinzugezogen, der noch mal eindringlich auf das Einhalten eines moderaten Lautstärkepegels hinweist“, so Graf. Die letzte Stufe wäre, die Störenden aus dem Zug zu entfernen. Diese Maßnahme würde in der Regel jedoch nur ergriffen, wenn sich die Beteiligten aggressiv verhielten. „An jedem Bahnhof steht Sicherheitspersonal der DB-Sicherheit oder die Bundespolizei für solche Fälle bereit“, erklärt Graf.
Grundlegend in der Frage nach einer angemessenen Lautstärke, sei aber die Unterscheidung von Fern-und Regionalverkehr. In einem ICE gibt es beispielsweise ausgewiesene Ruhezonen, in denen sich die Fahrgäste eine minimale Geräuschkulisse wünschen. In den Regional- oder S-Bahnen ist der Lärmpegel generell etwas höher. „Das Ziel sollte in jedem Falle ein friedliches Miteinander sein“, sagt der DB-Sprecher.