Frauen mit unterschiedlichen Blickwinkeln im Gespräch: Leoni Eckstein, Sylvia Rall, Xenia Troniarsky, Karin Götz, Yasemin Räpple, Diana Mayer und Martina Klärle (von links). Foto: Simon Granville

Was zeichnet starke Frauen aus? Braucht es diese Zuschreibung überhaupt? Wie gelangen sie zur wirklichen Chancengleichheit im Berufsleben? Frauen mit sehr unterschiedlichen Karrierewegen zeigen bei einer Podiumsdiskussion in Marbach, welche Antworten sie darauf haben.

In der Dreizimmerwohnung mit Babywippe auf dem Tisch ein Unternehmen hochziehen wie Xenia Troniarsky, Geschäftsführende Gesellschafterin von XTservices in Erdmannhausen: Das bekommt nicht jede hin. Und die Chuzpe von Martina Klärle muss frau auch erst einmal aufbringen: Als ein Unternehmen in einer Stellenanzeige dezidiert schrieb: „Wir suchen einen Vermessungsingenieur“, war sie so verärgert, dass sie ihre Referenzen mit dem Zusatz „Sie haben mich verpasst!“ an die Firma schickte. Das Unternehmen fand das Schreiben dann so bemerkenswert, dass es Klärle im Marketing anstellen wollte, „das wäre auch unheimlich toll bezahlt gewesen“. Die Wissenschaftlerin aber – heute ist sie Präsidentin der Dualen Hochschule Baden-Württemberg – lehnte dankend ab.

Mit selbstbewusstem, reflektiertem Auftreten und dem Wissen um die Pfunde, mit denen sie wuchern können, hat die Frauen-Runde keine Probleme. Sie diskutierte in der Marbacher Stadthalle auf dem Podium über Chancen und Herausforderungen von Frauen in Mint-Berufen. Und die Runde bekräftigte ihre Zuhörerinnen, ebenfalls nicht unter ihren Möglichkeiten zu bleiben und ihr Licht nicht unter den Scheffel zu stellen. „Maschinenbauerinnen werden gebraucht, um die effizienten Maschinen der Zukunft zu konstruieren, Bauingenieurinnen, Elektrotechnikerinnen: Die Chancen sind hervorragend“, wirbt Martina Klärle.

Mint-Studiengänge nur für Frauen?

Dass in Berufen auf den Feldern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik die Chancen hervorragend sind, wird beim Info- und Beratungstag fast mantraartig wiederholt. „Aber sie kommen halt nicht so hip und fancy daher wie andere Branchen“, sagt Diana Mayer. „Dabei ist die Kreativität in diesen Berufen toll und es macht Spaß“, findet die Maschinenbauingenieurin. Dazu kommt, dass sich zwar 70 Prozent der Frauen für Mint-Berufe interessierten, aber 40 Prozent davon befürchteten, sie könnten überfordert sein, zitiert Moderatorin Karin Götz eine Umfrage. Die Leiterin der Gemeinschaftsredaktion Kreis Ludwigsburg der Stuttgarter Zeitung / Stuttgarter Nachrichten / Marbacher Zeitung / Kornwestheimer Zeitung will von ihren Gesprächspartnerinnen wissen, ob sie eigene Mint-Studiengänge nur für Frauen sinnvoll fänden.

„Ich hätte etwas vermisst“, sagt Diana Mayer spontan. Martina Klärle räumt ein: „Ich hätte mich auf so einen Studiengang nicht beworben, aber wenn es für manche ein guter Einstieg ist, sollten sich Hochschulen solche Formate überlegen.“ Xenia Troniarsky fordert: „Es muss eine Normalität sein, dass junge Frauen von engagierten, motivierten Lehrerinnen überzeugt werden.“ Sylvia Rall, Geschäftsführende Gesellschafterin von Hainbuch in Marbach, weiß aus Erfahrung: „Viele junge Mädchen kennen keine Ingenieurinnen und haben keine Vorbilder.“

Dass es schwierig sei, sich ein Bild von Studienfächern oder Ausbildungsberufen zu machen, bestätigt auch die 23-jährige Leoni Eckstein, die sich nach einem Studium noch für eine Schreinerlehre entschied. „Das Problem von praktischen Ausbildungen ist, dass man oft sehr jung ist, wenn man anfängt, und man noch unsicher ist.“ Die 18-jährige Yasemin Räpple, die eine Bäckerlehre macht, sagt: „Man muss sich schlau machen. Und man muss sich trauen!“ Oft, so die Einschätzung von Martina Klärle, werde für die Mint-Berufe auch falsch geworben: „Wir müssen mit dem werben, was hinten raus kommt und von dem man sich eine Vorstellung machen kann. Mit den Wind- oder Wasserkraftanlagen. Mit dem, womit Frauen Zukunft gestalten können.“

Doppelte Belastung oder doppelte Bereicherung?

Eine Frauenquote halten fast alle Diskutantinnen für den falschen Weg. „Quote ist Duldung, nicht Überzeugung durch Kompetenz“, begründet etwa Xenia Troniarsky. „Ich sage inzwischen klar ja. Wir müssen Druck aufbauen, um etwas zu bewegen. Danach können Quoten meinetwegen auch wieder weg“, hält Martina Klärle dagegen. Auch das Spannungsfeld der Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird auf dem Podium verhandelt – und dass der Wiedereinstieg nach Kinderpause einem manchmal ausgerechnet von Frauen schwer gemacht wird, wie bei Diana Mayer, die dann schließlich zur Stadtverwaltung in Marbach wechselte. Sylvia Rall merkt an: „Einen Mann würde man nie fragen: Wie willst du Familie und Beruf vereinbaren?“ Überhaupt müsse man diese Vereinbarkeit nicht immer als doppelte Belastung sehen, man könne sie auch als doppelte Bereicherung definieren.

Und wie charakterisiert man nun „starke Frauen“? „Flexibel bleiben, seine Frau stehen und die Dinge auch mal so nehmen können, wie sie eben sind“, sagt Diana Mayer. „Selbstbewusst und ehrgeizig sein“, erklärt Yasemin Räpple. Konsequent und geduldig an seinen Zielen festhalten und langen Atem haben, findet Martina Klärle. Leoni Eckstein überlegt und sagt: „Für seine Meinung und Ziele einstehen und auch mal auf für eine Podiumsdiskussion auf eine Bühne gehen, auch wenn einem das nicht so leicht fällt.“ Das gelte unabhängig vom Geschlecht.