Christiane Lange, die Leiterin der Staatsgalerie Stuttgart, warnt vor einer Schwemme von Ausstellungshäusern. Foto: dpa

„Wieviel Museum wollen wir uns leisten?“ Über diese Frage ist in der Staatsgalerie diskutiert worden, kontrovers und lebendig.

Stuttgart - Christiane Langeist hart im Nehmen. Für ihre Kritik an der hohen Zahl neuer Museen in Deutschland und insbesondere im Südwesten hat die Direktorin der Stuttgarter Staatsgalerie im vergangenen Herbst viel Prügel bezogen: Unter der Leitfrage „Wer soll sich das alles anschauen?“ forderte Lange eine Umverteilung der öffentlichen Kulturetats – weg von den Kleinen, hin zu den Großen. Zum Beispiel zu ihrem eigenen Haus.

Nun stieg die streitbare Chefin des baden-württembergischen Museumsflaggschiffs in dieser Sache erneut in den Ring. In einem von der Staatsgalerie veranstalteten Podiumsgespräch traf sie nicht nur auf die Frankfurter Kunstkritikerin Julia Voss, die seinerzeit das umstrittene Interview mit Lange führte, sondern auch auf Eckart Köhne. Der Präsident des Deutschen Museumsbundes und Direktor des Badischen Landesmuseums hatte als einer der ersten öffentlich Stellung gegen die Thesen seiner württembergischen Kollegin bezogen. Im Stirling-Bau unterstrich der Gast aus Karlsruhe noch einmal: „Egal ob groß oder klein: Wenn das Konzept stimmt, ist jedes neue Museum ein Gewinn.“

Wie verzogene Kinder

Moderiert von der SWR-Journalistin Susanne Kaufmann stand der Abend unter dem Motto „Wie viel Museum wollen wir uns leisten?“. Im Prinzip keine neue Frage, wie Köhne einwarf. Dass die Wellen nach Langes Intervention derart hochschlugen, habe daran gelegen, dass der Aufschrei diesmal aus einem Museum selbst gekommen sei. „Und zwar ausgerechnet aus dem am besten ausgestatteten Haus im reichsten Bundesland.“

Das klang nach Neiddebatte im Elfenbeinturm. Mehr Verständnis für Langes Position äußerte aber Julia Voss. Die monumentalen Werkkomplexe der Gegenwartskunst – Voss nannte Georg Baselitz als Beispiel – ließen die Depots jetzt schon aus allen nähten latzen. Auch Journalisten, meinte die Vizechefin des FAZ-Feuilletons zunftkritisch, sollten museale Neugründungen oder Erweiterungen nicht immer unhinterfragt bejubeln. Gleichwohl gab sie zu bedenken, dass in ländlichen Regionen auch kleinere Ausstellungshäuser „strukturwichtig“ seien.

Lange gestand daraufhin zu, keinesfalls „mit der Schere“ durchs Land ziehen zu wollen. Dennoch nutzte sie die Chance, ihre Argumente für eine Konzentration der Fördermittel nachzuschärfen: Polemisch nahm die Gastgeberin dabei die Politik ins Visier, die „jedes leer stehende Gebäude“ zum Museum machen wollte, ohne an die Folgekosten zu denken. Volksvertreter seien in dieser Hinsicht „wie verzogene Kinder, die ständig neue Spielsachen brauchen“. Außerdem verschlinge die Museums-Schwemme nicht nur Steuergelder, sie raube potentiellen Kunstfreunden auch Zeit. Wer in das eine Haus geht, fehlt dem anderen.

Statt Eintrittskarten eine Nutzungsgebühr

„Besucher werden ja auch nicht zugeteilt wie im Sozialismus“, konterte Köhne, der sich offenbar als wettbewerbsorientierter Anpacker versteht. Um dies zu untermauern, schilderte er den Plan, sein Museum zu einem interaktiven Bürgermuseum umzugestalten. Jeder dürfe sich Werke aus den Depots in die Schausammlung kommen lassen. Statt Eintrittskarten gebe es eine „Nutzungsgebühr“ wie in der Bibliothek.

Das war dann aber auch der einzige konkrete Zukunftsentwurf. An dem mäzenatischen Modell, das von Voss ins Spiel gebracht wurde, zeigten die anderen Debattenteilnehmer kein tieferes Interesse.

Zum Ende hin verlor der Schlagabtausch etwas an Fahrt und versandete auf Nachbarfeldern: Bürokratiehürden, Digitalisierung und Überforderung durch neue Aufgaben von der Provenienzforschung bis zum Online-Werbefilmchen. Für wen es in der musealen Zukunft weniger, für wen mehr geben soll, blieb letztlich offen.