Jens Ehler Foto: Rehmann

In Plieningen hat Jens Ehler Anfang der Woche über sein Leben als Schwerstbehinderter und die Art gesprochen, wie er damit umgeht.

Stuttgart-Plieningen - Jens Ehler sitzt in seinem Rollstuhl, leicht nach vorne geneigt und beginnt zu sprechen. Dabei treten seine Augen ein wenig aus den Höhlen, die Arme und Beine verkrampfen sich. Der 25-jährige Mann aus Sinsheim konzentriert seine Kräfte auf seinen linken Arm, bis dieser wie zufällig gegen einen schwarzen Joystick stößt. „Hallo erstmal“, tönt eine sanfte Frauenstimme aus dem Sprachcomputer. „Ich würde ihnen heute Abend gerne meine Zukunftskonferenz vorstellen.“ In den Räumen des Vereins „Zuhause leben“ in Plieningen hat Jens Ehler Anfang der Woche über sein Leben als Schwerstbehinderter und die Art gesprochen, wie er damit umgeht.

Hellwacher Verstand

Aufgrund eines Sauerstoffmangels bei der Geburt leidet er an einer spastischen Athetose. Zwar hat er einen hellwachen Verstand und begreift alles, was gesagt wird, aber sein Körper gehorcht seinem Geist nicht. Will er sich bewegen, verkrampfen sich alle Glieder, will er etwas sagen, stößt er nur unkontrollierte Laute hervor. Ein Leben ohne fremde Hilfe ist unmöglich. Aber Jens Ehler gibt nicht auf. Mit zehn Jahren erhielt er seinen ersten Sprachcomputer, Talker genannt. Mühsam erlernte der 25-Jährige die Bedienung des komplizierten Geräts. Mühsam gelang es ihm, Schritt für Schritt Kontakt zu seiner Umwelt aufzunehmen. „Ich weiß, dass meine Zukunft davon abhängt, wie gut ich mit dem Talker, meinem Computer und dem Rollstuhl umgehen kann“, sagt die Stimme.

Albtraum: „Wie ein Möbelstück irgendwo herumzustehen“

Träume und der größte Albtraum

Mit sechzehn Jahren organisierte er selbstständig seine erste Zukunftskonferenz. Dazu lud er Freunde, Verwandte und Lehrer ein, die sich einen Tag lang Gedanken um seine Zukunft machten, Ideen entwickelten und ihm seine Stärken aufzeigten. „Als ich hörte, was die mir zutrauen, habe ich mich stark gefühlt und angefangen an mich zu glauben. Das hat viel verändert“, tönt die sanfte Frauenstimme aus dem Talker. Und sie trauten ihm tatsächlich viel zu: einen Auftritt bei „Wetten, dass..?“, die Gründung eines eigenen Büros für Spezialreisen, einen Weltraumflug. Zugleich formulierte Ehler an diesem Tag auch seinen größten Albtraum: „Wie ein Möbelstück irgendwo herumzustehen.“

Vier Jahre später, als Zwanzigjähriger, fuhr er bereits mit seinem elektrischen Rollstuhl selbstständig durchs Dorf, war Referent der Gesellschaft für unterstützte Kommunikation ISAAC, hielt Vorträge und schrieb Artikel für diverse Fachzeitschriften. An seinem Rollstuhl ist der Sprachcomputer angebracht, mit einer Tafel von 128 Symbolen. Mit dem Joystick kann er diese anwählen. Meist braucht er mehrere Anläufe, bis der Arm den Joystick in die richtige Position gedrückt hat. Dann stößt er mit seinem linken Knie gegen einen am Rollstuhl befestigten Knopf – die Eingabetaste – um die Auswahl zu bestätigen. Aus zwei bis drei Symbolen kann er ein Wort zusammenfügen.

Ehler will anderen Mut machen

Seit einigen Jahren ist Ehler nun schon in Deutschland und der Schweiz unterwegs, um von der Entwicklung seiner kommunikativen Fähigkeiten zu berichten und anderen in seiner Situation Mut zu machen. „Ich finde es wichtig, dass auch Eltern meinen Vortrag hören, damit sie sich Gedanken machen um ihre Kinder“, sagt die Computerstimme für Ehler. „Vielleicht kommen andere Eltern durch meinen Vortrag auf die Idee, dass sie vielleicht auch mal eine Zukunftskonferenz für ihren Sohn oder ihre Tochter machen könnten.“