Um den seit 19 Monaten im Bau gestoppten Gewa-Tower wird heftig gerungen. Foto: Hans-Dieter Wolz

Um den insolventen Wohnturm, den 108 Meter hohen Gewa-Tower, in Fellbach zu verwerten, will Rechtsanwalt Gustav Meyer zu Schwabedissen erweiterte Befugnisse von den geschädigten Anlegern. Dagegen regt sich Widerstand. Eine Abstimmung ist angesetzt.

Fellbach - Die Verhandlungen über einen Verkauf und Weiterbau des insolventen 60-Millionen-Euro-Projekts in Fellbach, des 108 Meter hohen Gewa-Towers, gehen weiter. Sie sollen jetzt durch Beschlüsse einer Gläubigerversammlung im schriftlichen Verfahren erleichtert und beschleunigt werden. Der Vertreter der geschädigten Geldanleger, Gustav Meyer zu Schwabedissen, fordert darin umfangreiche Vollmachten an, um die ursprünglichen Bedingungen der notleidenden Finanzierungsanleihe grundlegend verändern zu können.

Wozu benötigt der Gläubigervertreter solche Vollmachten?

In einem Interview mit dem Web-Portal „Anlagen-Finder“ erläutert Rechtsanwalt Gustav Meyer zu Schwabedissen: „Es ist von unschätzbarem Vorteil, wenn die Bieter mit jemandem verhandeln können, der auch entscheiden kann. Die Gläubigerversammlungen bezwecken daher, mir als gemeinsamem Vertreter der Gläubiger größtmögliche Flexibilität bei den Verhandlungen mit den Bietern zu geben.“ Zwar führt der vorläufige Insolvenzverwalter Ilkin Bananyarli die Verhandlungen, doch braucht dieser aus einem rechtlichen Grund – die erstrangige Absicherung der Gläubiger im Grundbuch – die Zustimmung des gemeinsamen Vertreters.

Kann der Gläubigervertreter, wenn er die Vollmachten ausübt, allein entscheiden?

Gustav Meyer zu Schwabedissen strebt sehr weitreichende Vollmachten an über Beschlüsse, die sonst nur eine Gläubigerversammlung fällen könnte. Daher schlägt er vor, einen Beirat mit maximal fünf Mitgliedern zu bilden, mit denen er zwingend einig werden muss.

Was lässt sich an den gewünschten Vollmachten für die Zukunft des Towers ablesen?

Gewünscht wird beispielsweise eine Vollmacht, die Schuldverschreibungen, wenn nötig, in Gesellschaftsanteile umzuwandeln. Damit würden die bisherigen Geldanleger, denen 6,5 Prozent Zinsen pro Jahr versprochen, aber bisher nicht ausgezahlt worden sind, stattdessen direkt an Gewinn oder Verlust der Finanzierungsgesellschaft Gewa 5 to 1 beteiligt. So könnte Gustav Meyer zu Schwabedissen in die Wege leiten, dass die Gläubiger den Turm selbst fertigstellen und die unverkauften Wohnungen erst einmal vermieten, um sie sukzessive abzugeben. Weil die bisherigen Bieter für den Wohnturm einen herben Schuldenschnitt von etwa 60 Prozent verlangen, sehen mehrere Anleger offenbar in einer eigenen Baugesellschaft die Chance, ihre Verluste zu minimieren.

Wo soll das Geld herkommen, um den Pleite-Turm fertig zu bauen, wenn es nicht ein Investor einschießt?

Im Interview mit dem „Anleihen-Finder“ spricht Gustav Meyer zu Schwabedissen über diese mögliche Option für den Turm und das danebenstehende Hotel: „Das Hotel würde man für gut und gerne zehn Millionen Euro sofort verkaufen können, und zwar in seinem jetzigen Zustand.“ Es ist, wie er sagt, zu 90 Prozent fertig. „Dann hätte man eine gute Liquidität, um auch die weitere Finanzierung für die Fertigstellung des Wohnturms erhalten zu können.“ Die 35 Millionen Euro aus der Finanzierungsanleihe sind dagegen fast vollständig aufgebraucht.

Warum kommt die Option des Hotelverkaufs getrennt vom Turm erst jetzt auf?

Das Hotel hatten die Gewa-Chefs Michael und Mark Warbanoff im Oktober 2016 ungefähr drei Wochen vor ihrem Insolvenzantrag in einem so genannten Forward-Deal an einen privaten Investor verkauft. Das Geld dafür sollte aber erst fließen, wenn das Hotel fertiggestellt und vom Käufer abgenommen ist. Selbst wollte der Investor das Hotel nicht fertigstellen und auch nicht die üblichen Kaufpreisraten nach Fertigstellung der Gewerke zahlen. So war der Hotelverkauf bis zur Rückabwicklung blockiert. Die bisherigen Bieter wollten auch Turm und Hotel zusammen erwerben.

Wie viel würde es kosten, den Tower fertig zu bauen?

Der Architekt des Wohnturms, Jörg Wolf, hat die Restkosten ungefähr vor einem Jahr auf 27 Millionen Euro beziffert. Mit jedem Monat, der ohne Auftragsvergabe verstreicht, dürfte diese Summe dank der steigenden Baupreise deutlich anwachsen.

Was sind die strittigen Vollmachten?

Vor allem will sich die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK), die selbst Gewa-Anleihen hält, gegen Vollmachten zu gerichtlichen Auseinandersetzungen stemmen. Klagen gegen die Generalunternehmerin, die Baresel GmbH, wegen strittiger Rechnungen und gegen deren Bauhandwerker-Sicherungshypothek, welche die Verwertung des Turms behindert, sind wahrscheinlich. Ein gerichtliches Nachspiel könnte es auch noch haben, sollten sich anfängliche Vermutungen bestätigen, dass beim Towerbau Geld versickert ist.

Was wird gegen diese Vollmachten eingewandt?

Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger befürchtet, dass die Geldanleger die Kosten einer gerichtlichen Auseinandersetzung tragen müssen. Dabei beruft sie sich auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs. Das könnte bedeuten: Diese Anleger müssen zusätzlich zu ihrem Anleihekauf von 2014 noch weiteres Geld aufbringen. Die Schutzgemeinschaft fordert deswegen, für juristische Streitigkeiten deren Beschluss einzuholen.

Was ist der Stand der Verhandlungen um den Turmverkauf?

Der vorläufige Insolvenzverwalter Ilkin Bananyarli verhandelt mit mehreren möglichen Investoren über den Kauf des Gewa-Towers in seinem gegenwärtigen Zustand als fensterloser Rohbau in den oberen der 34 Stockwerke und am Beginn des Innenausbaus unten. Auch der gegenwärtige Favorit, der anonyme „Bieter 2“, ist weiterhin darunter, obwohl er aus unbekannten, angeblich internen Gründen eine Exklusivfrist hat verstreichen lassen.

Wie groß ist die Chance, dass der Gewa-Tower noch fertig gebaut wird?

Gläubigeranwalt Gustav Meyer zu Schwabedissen zeigt sich auch noch nach 19 Monaten an Verhandlungen optimistisch. „Ich halte es für so gut wie ausgeschlossen, dass der Tower eine Ruine bleibt“, sagte er im Interview des Web-Portals „Anleihen-Finder“. „Das Gebäude hat eine herausragende Architektur und hat das Zeug zu einem ,landmark building’. Ich gehe davon aus, dass es deswegen für jeden Immobilienentwickler höchst interessant ist.“

Die Abstimmung ohne Versammlung findet von 9. Juli bis zum 11. Juli statt. Bei mangelnder Beschlussfähigkeit folgt eine Präsenzversammlung am 20. Juli, 14 Uhr, direkt auf der Baustelle, im Foyer des Gewa-Towers in Fellbach.