Die Insolvenzverwalterin für „Solargold24“ nennt die Reste der Firma einen „großen Misthaufen“. Ein Anleger erzählt, wie er 200 000 Euro verlor. Die Kriminalpolizei ermittelt.
Diese Auskunft der Polizei beruhte offenbar auf einer Fehleinschätzung: „Die haben mir auf dem Revier gesagt, das ist meine Privatangelegenheit“, erzählt Jens Wagner. Er hatte rund 200 000 Euro investiert, nicht des Geschäftes, sondern der guten Sache wegen, wie Wagner versichert. Es ging um Solaranlagen. Inzwischen ist die Privatangelegenheit zum Fall für die Kriminalpolizei geworden. Wagners Geld ist uneintreibbar, genauso wie das Geld etlicher anderer, die der in Reutlingen ansässigen Solargold24 vertrauten. Die Firma ging im April in die Pleite.
Seitdem „suche ich Geld und finde keines“, sagt die Insolvenzverwalterin Judith Skudelny, das Verfahren sei „ein großer Misthaufen“, die Geschäfte seien mangelhaft oder gar nicht dokumentiert. Skudelny empfiehlt jedem, der sich geschädigt fühlt, es Wagner gleichzutun – Strafanzeige zu erstatten. Wagner war inzwischen bei der Kripo Reutlingen zur Aussage eingeladen. Die will – wie üblich – zur laufenden Ermittlung keine Auskunft geben.
Die Hintergründe führen ins Landgericht Stuttgart
Die Hintergründe des Geschehens führen ins Landgericht Stuttgart. Dort wurde im August 2018 Edvin Novalic zu knapp acht Jahren Haft verurteilt. Er hatte als Geschäftsführer der Firma EN Storage jahrelang Anlegergeld eingesammelt, auf das satte Zinsen versprochen waren. EN stand für Edvin Novalic. Die Zinsen flossen anfangs tatsächlich. Novalic führte die Firma gemeinsam mit einem Co-Geschäftsführer, der während des Gerichtsverfahrens im Gefängnis starb – eines natürlichen Todes.
EN Storage war der zweitgrößte Fall von Anlagebetrug in der Geschichte des Landes Baden-Württemberg und wohl der abenteuerlichste. Am Ende fehlten fast 100 Millionen Euro, die rund 2000 Anleger überwiesen hatten. Die beiden Geschäftsführer täuschten Filialen in aller Welt vor. Für einen angeblichen Geschäftspartner in Großbritannien erfanden sie die Adresse „Fantasia Road“. Nach dem Zusammenbruch bezifferte der Insolvenzverwalter Holger Leichtle das Unternehmensvermögen auf rund 500 000 Euro, Inventar eingeschlossen. Ein Großteil des Anlegergelds war in Kofferräumen ins Ausland gekarrt worden und blieb selbst für auf solche Fälle spezialisierte Ermittler unauffindbar. Novalic unterschrieb einen Schuldtitel über 70 Millionen Euro.
Als Geschäftsführerin war die Ehefrau eingetragen
Wohl schon in der Haft kam ihm die Idee, mit Solaranlagen Geld zu verdienen. Erneut mit einem Geschäftspartner, wie Skudelny sagt: „Die beiden haben sich im Gefängnis kennengelernt.“ Firmengründungen sind unter solchen Vorzeichen selbstredend schwierig. Als Geschäftsführerin für Solargold war eine Frau eingetragen, die Skudelny als „sehr nette, sehr naive Ehefrau“ beschreibt – von Novalic. Sie brachte das ganze Verfahren mit einer Eigenanzeige in Gang.
Jens Wagner sitzt in seinem Wohnzimmer in Bietigheim-Bissingen und präsentiert Schriftstücke auf seinem Laptop, um seine Geschichte lückenlos zu belegen – Kontoauszüge, Eingangsbestätigungen, Rechnungen, Korrespondenz. Sein Kontakt zur Solargold24 begann mit dem Kauf einer Solaranlage. Weil der dazugehörige Akku nicht lieferbar war, überwies er erstmals Geld. Er glaubte, den Kauf eines Containers voller Batteriespeicher in China zu ermöglichen. Weitere Überweisungen folgten. Zwei Jahre lang standen Novalic und Wagner in stetem, durchaus freundlichem Kontakt. „Hunderte Nachrichten“ hätten sie sich geschrieben, zumeist per WhatsApp. Zusammengefasst: Etliche Male versprach Novalic, Wagner werde sein Geld zurückbekommen, auch in einem vom Anwalt aufgesetzten Dokument.
Eine der letzten Nachrichten kam aus dem Krankenzimmer
Eine der letzten Nachrichten, die Novalic auf Wagners Smartphone schickte, war ein Foto aus einem Krankenhauszimmer samt der Mitteilung, er habe einen Infarkt erlitten. Kurz danach „war er verschwunden“, sagt Wagner. Kontaktversuche gingen ins Leere. Die Handynummer war tot. Auch der Anwalt, den beide für ihre Geschäfte beschäftigten, „hat keinen Kontakt mehr“, sagt Wagner.
Er ist 69 Jahre alt, von Beruf Informatiker. Wie er sich fühlt, beschreibt er mit einem Zitat seines Ausbilders bei der Bundeswehr: „Wenn schon in die Scheiße, dann mit Schwung“, sagt er, „das scheine ich verinnerlicht zu haben“. Das Geld, das er überwies, stamme aus dem Verkauf des elterlichen Hauses und aus einer Lebensversicherung. „Das sollte natürlich meine Tochter bekommen“, sagt Wagner.
Lob für einen Geschäftsführer, den es nicht gab
Im Internet bewerten Kunden Solargold24 durchwachsen. Manche beschweren sich über fehlende Teile und falschen Anschluss. Gelobt wird das Engagement des Geschäftsführers Kaminski. Den gab es nicht. Dass Novalic den Namen und Titel benutzte, bestätigt Skudelny. Auch sie erzählt von fehlerhaften Anschlüssen, fehlenden Teilen, versäumten Fristen. „In der Firma war einfach niemand, der etwas verstanden hat von Solaranlagen“, sagt Skudelny und erzählt von einem Kunden, der eine von ihm bestellte Anlage mit seinem Lkw abholte, weil Solargold Transportprobleme beklagte. Dieser Kunde „wurde verhaftet“, sagt Skudelny, „das war die Anlage von jemand anders“.
Mit Novalic hatte auch sie persönlichen Kontakt. Er habe „ein merkwürdiges Geschäftsverständnis gehabt“, sagt Skudelny. Auf die Frage, wie er den geplanten Bau einer Solaranlage in Spanien hätte bezahlen wollen, habe Novalic geantwortet, er könne das Geld mit zukünftigen Aufträgen verdienen. Daraufhin, sagt Skudelny, „habe ich ihm gesagt, das nennt sich Schneeballsystem“.
(Jens Wagner heißt in Wahrheit anders, er fürchtet Nachteile bei Namensnennung.)