Ohne Computer geht nichts: Blick in den Orchestergraben von „Mamma Mia!“. Foto: Max Kovalenko

Die Gewerkschaft Verdi kritisiert, dass es „immer mehr Playback“ bei Musical-Shows der Stage Entertainment gibt.

Stuttgart - Zum Abschied der Nonnen-Show „Sister Act“ wollen am heutigen Mittwochabend Musiker im Apollo-Theater dagegen protestieren, dass in deutschen Musicaltheatern des Marktführers Stage Entertainment immer mehr Playback und immer weniger live gespielt wird. „Dem Publikum wird live suggeriert, obwohl das Band keinerlei Einzigartigkeit der Vorstellung mehr zulässt“, protestiert Irmgard Tauss von der Gewerkschaft Verdi. Immer mehr Musiker würden ihren Arbeitsplatz verlieren. So werde es im Orchester von „Sister Act“an der neuen Spielstätte in Oberhausen künftig nur noch acht Musiker geben – im Stuttgart waren es zwölf.

Noch drastischer kürzt die Stage Entertainment die Ausgaben für die Show „Tarzan“, die am 21. November Premiere im Apollo-Theater feiert: Im SI-Centrum werden, wie Stage-Sprecher Christof Schmid am Dienstag gegenüber unserer Zeitung bestätigt hat, für das Urwald-Musical künftig nur noch zehn Musiker beschäftigt – in Hamburg waren es zuletzt 17. „In den Stadttheatern sind mittlerweile bei Musicalaufführungen die Orchester besser besetzt als bei der Stage Entertainment“, klagt Verdi-Sekretärin Irmgard Tauss, was sie nicht verstehen kann: „Beim Marktführer ist das Erlebnis Live-Entertainment nicht mehr so stark – die Orchestermusik von immer mehr Bühnenshows kommt weitgehend aus der Dose.“ Bei Eintrittspreisen von über 100 Euro sei diese Entwicklung nicht gerechtfertigt.

Die Macher der Facebook-Seite „Musicals brauchen Live-Musik“ haben aufgelistet, welche Instrumente bei „Tarzan“ in Stuttgart künftig nicht mehr live, sondern vom Band kommen: Horn, Trompete, Posaune, Oboe, Klarinette, Saxofon, Violine, Viola, und Violincello. „Für die protestierenden Musiker ist jegliche Art von zugespieltem virtuellem Orchester zu Lasten bestehender Orchester nichts anderes als digitalisierte Musik, die vorgibt, live zu sein“, heißt es in dem Aufruf der Gewerkschaft Verdi, die im Internet unter www.save-live-musical.com Unterschriften gegen „Auto-Pilot-Performance“ sammelt.

Keyboards in der Pop-Musik sehr wichtig

Die Musicalmacher der Stage Entertainment kontern den heftigen Protest im Netz mit dem Hinweis auf Mega-Star Madonna. „Auch sie verwendet Keyboards, die sich rasant weiter entwickelt haben“, sagt Stage-Sprecher Christof Schmid.

Bei „Tarzan“ handele es sich um eine Pop-Show, die schon bei der Uraufführung am Broadway mit einem kleineren Orchester ausgekommen sei, so Schmid. In der Pop-Musik seien Keyboards sehr wichtig. Er verstehe den Ärger von Musiker, wenn nicht mehr so viele von ihnen gebraucht werden. „Unser Ziel ist es, dass die Zuschauer begeistert aus der Show kommen“, versichert Schmid. Keine Abstriche würden gemacht bei den Darstellern, den Kulissen und den technischen Raffinessen der Bühne. „Natürlich sind wir gezwungen, wirtschaftlich zu planen, da wir nicht subventioniert werden“, sagt der Stage-Sprecher. Ob der Abbau der Orchester auf den Umsatzrückgang der Stage-Theaterhäuser zurückzuführen ist, wollte Schmid nicht bestätigen. Sein Unternehmen legt keine Zahlen offen. Die neue Deutschland-Chefin Uschi Neuss (siehe 333-Kolumne „Freche Uschi“) habe einen sehr hohen Anspruch an Qualität. Nur mit begeisterten Zuschauern könne man für volle Häuser sorgen. Schon bei der Abba-Show „Mamma Mia!“, die bis Frühjahr 2014 in ihrer zweite Spielzeit im SI-Centrum läuft, wurde das Orchester verkleinert. „Bisher gab es keine Beschwerden der Zuschauer“, betont Schmid. Die Proteste im Internet, so räumt er ein, könnten dem Image der Stage schaden. „Aber es ist einfach falsch, dass bei uns die meiste Musik Playback ist“, sagt Schmid, „so mancher Sound wäre live gespielt gar nicht möglich.“