Quarterback Matthew Stafford (re.) wurde von dem Rams aus Detroit geholt – dafür hat der Club einiges geboten. Foto: dpa/Jae C. Hong

Die Los Angeles Rams wollen in den Super Bowl, der im Februar im eigenen Stadion stattfindet. Die Manager sind dafür ein großes Risiko eingegangen.

Stuttgart - In Los Angeles nehmen Träume Gestalt an und werden nicht selten wahr. Im Nordwesten der City befindet sich die weltweit größte Manufaktur für Emotionen aller Art, aus Hollywood exportieren die Studios Universal, Paramount, Sony Pictures und Warner Bros. turbulente Komödien, berührende Tragödien, harte Action und herzzerreißende Romantik in alle Welt. Los Angeles, die Stadt der Engel, die nicht erst seit dem gleichnamigen Film von 1998 diesen bezaubernden Beinamen trägt, ist allerdings seit 2016 auch die Heimat von weniger sanften Geschöpfen: Die LA Rams (Widder), der Club aus der National Football League (NFL), haben sich im SoFi Stadium niedergelassen.

Auch die Widder haben einen Traum. In dieser Saison ist es ein besonders aufregender, ein ganz und gar verlockender, ähnlich süß wie der Göttertrank Ambrosia. Die Rams wollen den Super Bowl erreichen, das Endspiel der Liga, das am 13. Februar in der eigenen Arena stattfindet, und als Krönung soll am Ende der Titel in LA bleiben. Wie das den Tampa Bay Buccaneers um Star-Quarterback Tom Brady vergangenes Jahr gelungen ist, als sie auf eigenem Grund und Boden die Kansas City Chiefs besiegt haben – just mit dem Titelverteidiger bekommen es die Rams an diesem Sonntag (21 Uhr/Pro 7) in den Play-offs im fernen Florida zu tun.

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Die Saison könnte ein Blockbuster werden, eine Einstimmung haben sie schon vor der Spielzeit drehen lassen. Regisseur Walter Pfister, der „The Dark Knight“ und „Prestige“ inszeniert und der für „Inception“ den Oscar für die „Beste Kamera“ erhalten hat, setzte für einen Trailer die Rams ins helle Licht – dabei dirigierte der 60-Jährige den Cheftrainer Sean McVay, Quarterback Matthew Stafford und Defensivmann Aaron Donald vor der Kamera. „Das fühlt sich an wie Hollywood“, sagte McVay damals zwischen Videomonitoren und Garderoben-Trucks, „alles ist erste Klasse – jetzt müssen wir noch im Football dem gerecht werden.“ Wenn Pfister einen Film über diese Saison drehen würde, der Titel sollte lauten: „Jetzt oder nie!“ Der Club von Teameigner Stan Kroenke ist für den Traum vom Triumph im Super Bowl ein Wagnis eingegangen – die Rams haben zwar nicht ihre Seele verkauft, aber ihre Zukunft verscherbelt.

Die NFL funktioniert nicht wie der Fußball in Europa, wo Vereine wie Paris Saint-Germain oder Manchester City hohe zweistellige Millionensummen für Spieler hinlegen, weil Milliardäre oder Scheichs das Geld dafür reichen. In der NFL wird der Großteil der Liga-Einnahmen fair auf die 32 Clubs verteilt, es gibt eine Gehaltsobergrenze für die Teams, und bei der Wahl der besten Talente kommen die schwächeren Clubs beim sogenannten Draft vor den stärkeren zum Zug. Die Manager müssen beim Kombinieren des Kaders einen gelungenen Dreisprung hinlegen, der besteht aus klugem Agieren an der Talentbörse (Draft), erfolgreichen Tauschgeschäften von vertragsgebundenen Profis mit anderen Clubs und geschicktem Verhandeln mit vertragslosen Spielern.

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Weil ein Blockbuster Stars benötigt, weil er sonst keiner ist, haben die Rams investiert. Bislang ist die Rechnung aufgegangen, bei zwölf Siegen in der Hauptrunde (fünf Niederlagen) überzeugte Stafford, im Wildcard-Play-off gegen die Arizona Cardinals feierte der Quarterback seinen ersten Sieg in einem K.-o.-Spiel überhaupt. „Es ist ein Teamsport. Ich weiß aber, dass ein Team eine größere Siegchance hat, wenn der Quarterback gut spielt“, sagte Stafford. Der alternde Spielmacher hatte einen stolzen Preis. Der 33-Jährige wurde von den Detroit Lions geholt, im Tausch wurde Quarterback Jared Goff (27) nach Detroit geschickt. Als Aufgeld für die Rochade haben die Kalifornier das allererste Wahlrecht im Draft sowie zwei weitere Erstrunden-Picks in den nächsten zwei Jahren an die Lions abgegeben.

Zudem verpflichteten die Rams Passfänger Odell Beckham jr. im November nach dessen Rauswurf bei den Cleveland Browns. „Ich bin einfach glücklich, dass ich an einem Ort bin, an dem ich Spaß habe“, sagt der 29-Jährige, was auch daran liegt, dass er in LA bis zu vier Millionen Euro absahnen kann. Während der Saison holten die Rams noch Linebacker Vonnie „Von“ Miller von den Denver Broncos, dafür opferten sie das Zugriffsrecht auf die zweite und dritte Runde in der nächsten Talentbörse. „Es fühlt sich an wie im Film“, sagte Von Miller, nachdem er sich in Los Angeles eingelebt hatte. Bleibt die Frage: Endet er als Albtraum oder mit Happy End?