Sind E-Autos bereits massentauglich? Noch sind vor allem teure Fahrzeuge (hier ab 50 777 Euro) im Angebot. Foto: imago/Arnulf Hettrich

Das Beratungsunternehmen McKinsey unterstellt, dass sehr bald nur noch vollelektrische Fahrzeuge neu zugelassen werden. An dem Szenario gibt es Zweifel.

In zwölf Jahren will die Landeshauptstadt klimaneutral sein, das hat der Gemeinderat im Juli 2022 beschlossen. Grundlage sind Berechnungen des Beratungsunternehmens McKinsey. Es sieht bereits für 2026 eine radikale Wende beim Autokauf vor. Damit die Kohlendioxid-Reduktion im Verkehrssektor bis 2035 aufgeht, dürfen laut Studie von 2026 an ausschließlich E-Fahrzeuge neu zugelassen werden. Am dem Szenario gibt es erhebliche Zweifel.

Nur 3,75 Prozent fahren bisher vollelektrisch

Die batteriebetriebenen Vehikel sind vergleichsweise teuer, ihr Absatz wird durch Prämien angeregt, die Förderung sinkt aber. Und die Auswahl ist begrenzt. Das Kfz-Gewerbe im Land zeigt sich entsprechend nervös. Eine weitere Förderkürzung könne den Aufschwung der E-Mobilität ausbremsen, warnt Verbandspräsident Michael Ziegler. Zurzeit schießt der Staat je nach Listenpreis 3000 bis 4500 Euro zu, ab September nur noch für Privatpersonen. 2024 wird die Förderung über 45 000 Euro Nettolistenpreis gekappt. Das könnte in Stuttgart erhebliche Auswirkungen haben.

Von den insgesamt 32 460 neu zugelassenen Personenwagen in Stuttgart in 2022 waren 4917 vollelektrisch, aber nur 1574 (32 Prozent) davon gingen an private Halter. Der Bestand lag zum Jahresende bei 292 872 Pkw, davon waren 11 137 oder 3,75 Prozent vollelektrisch.

Für „alles andere als realistisch“ hält Ziegler, langjähriger Geschäftsführer bei der Schwabengarage und Autohäusern der Emil-Frey-Gruppe, die für Stuttgart unterstellte Elektrifizierung. Das sei „illusorisch“, denn dazu „fehlt es am Angebot, an der Nachfrage und an der Infrastruktur“, so Ziegler, „das geht nicht auf Knopfdruck“. Die Hersteller hätten überwiegend teure E-Fahrzeuge im Angebot, es dauere, bis günstigere Einstiegsmodelle kämen. „Elektromobilität zu erschwinglichen Preisen“, verspricht etwa der VW-Konzern von 2025 an mit einem neuen Fahrzeug, es solle unter 25 000 Euro angeboten werden, hießt es auf der Homepage. Das günstigste E-Modell dieses Herstellers kostet heute 39 950 Euro. Ziegler gibt auch den Strommix zu bedenken, der bisher nicht klimaneutral sei. Er plädiert für den Einsatz synthetischer Kraftstoffe aus erneuerbaren Energien, damit könne die Bestandsflotte klimafreundlicher werden.

Verwaltung setzt auf wachsendes Angebot

Die E-Mobilität sei eine „ganz wichtige Stellschraube“, sagt Martin Körner, als Grundsatzreferent von OB Frank Nopper (CDU) im Rathaus für Klimaschutz und Mobilität zuständig. 70 Prozent der Kohlendioxid-Vermeidung im Verkehrssektor rechnet McKinsey allein ihr zu, der Rest soll durch Verkehrsvermeidung und den Umstieg auf Bus und Bahn gesichert werden. Von 2025 an werde es „Schläge tun, da wird es fast nur noch batterieelektrische Fahrzeuge geben“, so Körners Vorhersage in einem Ausschuss des Gemeinderates.

„Im Schnitt 50 000 Euro für ein E-Auto, das ist sehr viel Geld. Die Frage ist, wie Stuttgart das steuern kann“, sagt Volker Kienzlen, der Leiter der Klima- und Energieagentur des Landes. Die Wegmarke 2026 hält er für „extrem ambitioniert, aber nicht völlig unrealistisch“. Autokäufer müssten beim Kauf stärker die Entwicklung der Betriebskosten bedenken, die für E-Autos sprächen, denn konventioneller Sprit werde durch die Kohlendioxid-Bepreisung immer teurer. Die Frage sei aber auch, ob die Stadt über Anwohnerparkgebühren oder Umweltzonen für E-Autos die Nachfrage lenken wolle?

An derartige restriktive Eingriffe ist im Rathaus nicht gedacht. Man wolle die Förderung der privaten Ladeinfrastruktur fortschreiben, das aktuelle Programm sei deutlich überzeichnet, so Körner. Bisher waren bis Ende 2023 im Haushalt 435 000 Euro reserviert. Dabei geht es um „vorgelagerte“ Ladeinfrastruktur, die ertüchtigt werden muss, also zum Beispiel Kabeltrassen, neue Zähler- und Schaltschränke oder Hausanschlüsse, nicht die Wallbox selbst.

Die SSB AG solle 15 Millionen Euro für E-Busse erhalten,so Körner. Und es solle 1000 neue E-Ladepunkte geben, Stellplätze dafür zu finden werde aber „zunehmend schwer“. McKinsey hält bis 2035 in Stuttgart 4100 öffentliche Normal- und 500 Schnellladepunkte für nötig. Ansonsten setzt die Verwaltung in Sachen E-Autos auf den Markt. Der Ansatz von McKinsey sei „sehr offensiv“, so Körner.