Schlagkräftiger: EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker (links) will, dass die EU in der Steuerpolitik schneller Beschlüsse fasst. Foto: AFP

Bislang haben einige wenige Mitgliedstaaten ihr Veto bei Steuerfragen eingelegt und damit wichtige finanzpolitische Vorhaben wie etwa die Digitalsteuer blockiert. Damit soll nach Plänen der Kommission bald Schluss sein.

Brüssel - In der Steuerpolitik tut sich die EU bislang häufig schwer, Entscheidungen zu treffen. Dies hängt damit zusammen, dass Steuerfragen eins der wenigen Politikfelder sind, auf denen die Mitgliedstaaten noch einstimmig entscheiden müssen. Dies soll sich nach Plänen der EU-Kommission ändern. Der für EU-Finanzthemen zuständige Kommissar, Pierre Moscovici, schlägt vor, dass die EU schrittweise zu Entscheidungen übergeht, bei denen Mehrheiten ausreichen. Bei Entscheidungen im Ministerrat, also dem Gremium der Mitgliedstaaten, wird mit „qualifizierter Mehrheit“ entschieden. Das heißt, ein Beschluss ist gefasst, wenn 55 Prozent der Mitgliedstaaten, die 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren, zustimmen. Dieses Prinzip soll dafür sorgen, dass weder die kleinen noch die großen Mitgliedstaaten allein Entscheidungen durchdrücken können.

Blockade erwartet

Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte den Vorstoß für mehr Mehrheitsentscheidungen bereits bei seiner Rede zur Lage der Union im Herbst angekündigt. Moscovici sagte jetzt: „Die Einstimmigkeitsregel im Steuerrecht erscheint zunehmend politisch anachronistisch, rechtlich problematisch und wirtschaftlich kontraproduktiv.“ Das Einstimmigkeitsprinzip habe dazu geführt, dass wichtige Vorschläge für Steuergerechtigkeit im Binnenmarkt seit Jahren festgefahren seien. Einstimmig erzielte Einigungen spiegelten häufig nur den kleinsten gemeinsamen Nenner wider, was positive Folgen für Unternehmen und Verbraucher einschränke und die Umsetzung erschwere. Etwa die Pläne für die Besteuerung der Digitalwirtschaft könnten nicht umgesetzt werden. Wären sie verabschiedet, so würden dadurch jedes Jahr rund fünf Milliarden Euro in die Kassen der Mitgliedstaaten fließen.

Die Kommission schlägt ein Vorgehen in vier Schritten vor, bis Steuerbeschlüsse dann mit qualifizierter Mehrheit getroffen werden sollen; der Übergang soll Ende 2025 abgeschlossen sein. Im ersten Schritt sollen nach diesem Prinzip Maßnahmen zur Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung sowie bei verwaltungsrechtlichen Initiativen zugunsten von Unternehmen beschlossen werden. Im zweiten Schritt soll es um steuerpolitische Maßnahmen gehen, die anderen politischen Zielen wie etwa Klima- und Umweltschutz zugutekommen. Im dritten Schritt soll es um Maßnahmen gehen, die auch die Mehrwert- und Verbrauchssteuern betreffen können. In der letzten Stufe geht es darum, auch große steuerpolitische Vorhaben in der EU zu beschließen, etwa eine gemeinsame Bemessungsgrundlage in der Europäischen Union bei der Körperschaftsteuer sowie ein Steuersystem für die digitale Wirtschaft.

Widerstand garantiert

Moscovici weiß, dass er mit Widerstand rechnen muss: „Ich bin mir vollkommen darüber bewusst, wie heikel dieses Thema ist.“ Die Kommission wolle Mitgliedstaaten auch nicht vorschreiben, welche Sätze diese etwa in der Einkommen- oder der Körperschaftsteuer erheben. Auch die Rolle des EU-Parlaments will die Kommission stärken. Bislang hat es lediglich ein Anhörungsrecht, ist aber nicht Co-Gesetzgeber. Das würde sich mit dem Übergang zu qualifizierten Mehrheiten ändern.

Der Finanzexperte der deutschen Christdemokraten im Europaparlament, Markus Ferber (CSU), unterstützt den Vorstoß: „Der derzeitige Abstimmungsmodus hilft vor allem denjenigen Ländern, die ein Interesse daran haben, Fortschritte im Kampf gegen unfairen Steuerwettbewerb zu blockieren. Mehrheitsentscheidungen können für einen faireren Steuerwettbewerb sorgen.“ Wenn nicht einige wenige Mitgliedstaaten auf der Bremse gestanden hätten, gäbe es bereits heute eine Finanztransaktionssteuer in Europa. Ferber warnt davor, auch die Steuersätze in Brüssel beschließen zu wollen: „Das ist mit den Hoheitsrechten der nationalen Parlamente in Budgetfragen nicht vereinbar.“

Vom Finanzexperten der Grünen, Sven Gigold, kommt Kritik am Vorgehen der Kommission: „Was aussieht wie ein sinnvoller Schritt zur Überwindung der Blockadehaltung entpuppt sich als ein Scheinriese.“ Die Kommission müsse sich den Vorwurf gefallen lassen, Lorbeeren einheimsen zu wollen, ohne Ergebnisse liefern zu können. Die Kommission wisse sehr genau, dass etliche Mitgliedstaaten ihr Veto gegen den Übergang zu qualifizierten Mehrheiten einlegen werden. Tatsächlich müssten alle Mitgliedstaaten einstimmig dem Vorstoß der Kommission zustimmen. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass damit nicht zu rechnen ist. Irland, Luxemburg, die Niederlande und Zypern haben ihr Nein bereits angekündigt.