Die Gewerbesteuern sind in Weinstadt spürbar zurückgegangen. Foto: dpa/Monika Skolimowska

Trotz coronabedingt gesunkener Steuereinnahmen investiert die Stadt kräftig, vor allem im Bildungsbereich. Der Kämmerer warnt, man lebe von der Substanz. Doch der Oberbürgermeister hat eine entspanntere Sicht.

Weinstadt - Die Gesamtsituation, in der sich die Stadt Weinstadt finanziell befindet, sei schwierig. „Nichtsdestotrotz ist es gerade in diesen Zeiten wichtig, zu investieren“, sagte der Oberbürgermeister Michael Scharmann in seiner Rede zum Haushaltsentwurf für 2022. Derweil wächst das Loch in der Stadtkasse. Nachdem 2020 noch Finanzhilfen die Steuerausfälle durch die Coronapandemie abfederten, steuert die Stadt in diesem Jahr auf ein Minus von 5,8 Millionen Euro in ihrem Ergebnishaushalt zu. Für das kommende Jahr erwartet der Kämmerer Ralf Weingärtner ein noch größeres Defizit von 6,3 Millionen Euro.

Neues Personal lässt Kosten steigen

Denn die Aufwendungen von rund 78,7 Millionen Euro liegen weit über den Erträgen von gut 72,3 Millionen. Nach dem Einbruch der Gewerbesteuer im ersten Pandemiejahr um fast dreieinhalb Millionen auf 12,8 Millionen Euro sinken die Einnahmen daraus voraussichtlich noch ein wenig weiter. Bei der Einkommenssteuer, die wichtigste Einnahmequelle der Stadt, erwartet Weingärtner hingegen ein kleines Plus von 400 000 Euro auf 19,6 Millionen.

„Weinstadt wird im kommenden Jahr weniger Geld als vor der Pandemie zur Verfügung haben“, fasst der Kämmerer die Einnahmesituation zusammen. Ungeachtet dessen steigen die Aufwendungen, vor allem die Personalkosten. Diese klettern mit 27 Millionen Euro um fünf Prozent nach oben. Dies liege neben Tariferhöhungen und Steigerungen bei den Besoldungsstufen auch an neuen Stellen, wie Scharmann erklärte.

Sorge bereitet Weingärtner beim Blick auf den Ergebnishaushalt vor allem eines: die Abschreibungen in Höhe von etwas mehr als vier Millionen Euro. Diese werde man auch 2022 nicht erwirtschaften können, mahnte der Kämmerer: „Das heißt, wir leben von der Substanz herunter.“ Ein Zahlungsmittelüberschuss aus dem laufenden Betrieb der Ein- und Auszahlungen könne ebenfalls nicht erwirtschaftet werden, im Gegenteil. Rund 3,4 Millionen Euro beträgt der Bedarf. Um ihn decken zu können, muss die Stadt in ihren Sparstrumpf greifen. Damit betragen die Rücklagen zum Jahresende nur noch etwas mehr als 200 000 Euro.

Der OB gibt sich optimistisch

Dennoch investiert Weinstadt im kommenden Jahr kräftig, fast 20 Millionen Euro. Vor allem in den Bildungsbereich steckt die Stadt Geld mit der Erweiterung der Silcherschule in Endersbach, der Digitalisierung der Schulen und der neuen Stadtbücherei in Beutelsbach. Weitere Projekte sind etwa die Neugestaltung der Enderbacher Ortsmitte, bei der die Strümpfelbacher Straße zur Flaniermeile werden soll, und die Fortsetzung des Bürgerpark-Baus. Stemmen kann die Stadt all das nur, indem sie Kredite in Höhe von gut 10 Millionen aufnimmt. Damit wächst der Schuldenberg des Kernhaushalts auf knapp 20 Millionen Euro. „Das ist ein neuer Rekordwert“, sagte Weingärtner.

Scharmann mühte sich derweil, Optimismus zu verbreiten. „Es gab schon immer Wellenbewegungen, ein konjunkturelles Auf und Ab“, versuchte er die finanzielle Entwicklung zu relativieren. Bald werde die Konjunktur wieder anziehen und sich damit die Haushaltslage entspannen. „Wir investieren in Infrastruktur, in Bildung, in die Zukunft“, rechtfertigte der OB die geplanten Großprojekte. Damit schaffe man bleibende Werte. Zudem erinnerte er daran, dass man von 2016 bis 2020 den Schuldenberg deutlich habe abschmelzen können von 16 Millionen auf rund 6,6 Millionen.