Die Folgen des Abgas-Skandals beschäftigen auch die EU. Foto: dpa

Die Rechte von Verbrauchern müssen gestärkt werden – aber mit Bedacht, meint unser Brüssel-Korrespondent Markus Grabitz.

Brüssel - In den USA waren 500 000 VW-Fahrzeuge vom Skandal mit der Schummelsoftware betroffen. Und der Konzern hat 15 Milliarden Dollar (1,2 Milliarden Euro) für einen Vergleich auf dem US-Markt zahlen müssen. In Europa waren dagegen sechs Millionen Kunden die Geschädigten. Sie gingen bislang leer aus. Der Vergleich USA-EU zeigt zweierlei: Zum einen ist es überfällig, dass die rechtliche Position von Verbrauchern in der EU gegenüber Konzernen gestärkt wird, die betrügen und belügen. Zum anderen: Eine einfache Übertragung des US-Modells ist gefährlich. Die US-Sammelklage ist nicht nur darauf ausgerichtet, Verbraucher zu entschädigen, sondern enthält auch eine strafende Funktion für die Unternehmen. Wenn VW die sechs Millionen geschädigten Verbraucher in Europa genauso entschädigen müsste wie in den USA, wäre der Konzern vermutlich längst pleite. Außerdem dient die Sammelklage in den USA Anwaltsfirmen und Hedgefonds als Lizenz zum Gelddrucken.

Brüssel muss sicherstellen, dass die Entschädigung beim Verbraucher ankommt

Daher ist Europa gut beraten, mit Fingerspitzengefühl vorzugehen. Die EU-Justizkommissarin Vera Jourova verspricht zwar, dass sie die Sammelklage „in the European way“, also auf die europäische Art, will. Doch es bleiben Zweifel, ob ihr Vorschlag ausgereift ist. So will sie etwa, dass Geschädigte wie in den USA automatisch bei einer Sammelklage im Boot sind. Es sei denn, sie erklären ausdrücklich ihren Rückzug, das so genannte Opt-out. Da besteht die Gefahr, dass eine Sammelklage eine ungeheure Wucht bekommt, ohne dass sich eine namhafte Zahl von Geschädigten der Sache verschrieben haben muss.

Vorsicht ist angebracht, wenn Organisationen, Clubs und Verbände Klagerechte bekommen. Die Erfahrung zeigt, dass sie schnell ein Eigenleben entwickeln. Im Fall VW haben sich die nationalen Behörden als parteiisch und unfähig herausgestellt, den Konzern zur Raison zu bringen. Warum überträgt man nicht die Kompetenz nach Brüssel? Die EU-Kommission hat bewiesen, dass sie auch den Streit mit den ganz Großen nicht scheut. Brüssel müsste dann freilich sicher stellen, dass die Entschädigung auch beim Verbraucher ankommt.