Der Verband Region Stuttgart hat die neuen Rahmenbedingungen für Windkraftstandorte aufgearbeitet und Ausschlusskriterien abgezogen. Im Rems-Murr-Kreis sind demnach drei Prozent der Flächen geeignet – aber das nur in der Theorie.
Das Ziel sei schon immer gewesen, ausreichend geeignete Standorte für Windkraftanlagen auszuweisen, betont Thomas Kiwitt, der Chefplaner beim Verband Region Stuttgart. Gleichwohl habe die Angelegenheit aufgrund geänderter Rahmenbedingungen jetzt noch einmal eine andere Dimension des Möglichen angenommen. Rein theoretisch könnten laut den neuen Kriterien für die Wirtschaftlichkeit auf rund einem Drittel der Flächen in der Region Stuttgart Windräder gebaut werden.
Tabukriterien schränken die Standorte ein
Doch nimmt man aus der Karte mit den sogenannten windhöffigen Gebieten jene Flächen heraus, die sich aus unterschiedlichen Kriterien grundsätzlich für Windkraft ausschließen – etwa, weil weil es sich um Naturschutzgebiete handelt oder aus anderen Gründen um Bauverbotszonen – sieht die „Ausbeute“ schon deutlich anders aus. Dies erst recht, wenn man noch „weiche Tabukriterien“ wie regional bedeutsame Schwerpunkte für den Wohnungsbau, Kulturdenkmäler oder Deponien hinzuzählt beziehungsweise abzieht.
Das hat das Team von Thomas Kiwitt mittlerweile getan und die grafische Aufbereitung zunächst den Bürgermeistern der Kommunen zur Verfügung gestellt. Bis zum Ende des Jahre, so hofft Kiwitt, könnten dann die meisten Gemeinderäte informiert sein, so dass auf dieser Grundlage ein erster Planentwurf ausgearbeitet werden könnte. Denn das, was aktuell vorliege, sei keinesfalls bereits als eine potenzielle Ausbaukarte zu verstehen. „Wir haben dort lediglich mögliche Suchräume definiert.“ Immerhin umfassen diese knapp acht Prozent der Regionsfläche. An Rems und Murr gelten etwas mehr als drei Prozent der Kreisfläche zumindest als untersuchungsrelevant.
Für eine konkrete Standortdefinition wird dann allerdings wohl noch mindestens ein Jahr ins Land gehen, schätzt Kiwitt. Berücksichtigt werden müssen letztlich auch die Besitzverhältnisse, denn Enteignungen werde es nicht geben – auch wenn die vom Land vorgegebene Marge, 1,8 Prozent der Fläche für Windkraftanlagen auszuweisen, für ein dicht besiedeltes Gebiet wie die Region Stuttgart sehr ambitioniert sei.
Dennoch ist klar, dass die Planer Abstriche machen müssen. Denn würde an der aktuellen Grünzugplanung in voller Konsequenz festgehalten, wären Windräder in der Region praktisch ausgeschlossen, räumt Kiwitt ein. „Das Ziel aber muss sein, die Ausnahmen sorgfältig auszusuchen und dafür die Erhaltung an anderen Stellen zu sichern“, sagt der Chefplaner. Aber selbst wenn eine Fläche theoretisch zur Bebauung freigegeben wird, „für jedes einzelne Rad muss noch eine Prüfung gemacht werden“, sagt Kiwitt. Und da müsste vielen Belangen Rechnung getragen werden. „So große Windräder, wie sie hier benötigt werden, in einem so dicht besiedelten Raum zu bauen, ist eine sehr große Herausforderung.“
Viele Unwägbarkeiten
Die Frage, welche oder wie viele potenzielle Standorte letztlich übrig bleiben werden, könne er leider nicht beantworten, winkt Kiwitt ab. Denn bis aus regionalplanerischen Überlegungen tatsächlich Anlagen würden, müsse einiges passieren: Zunächst einmal müsse ein Investor gefunden werden, der Grundeigentümer mitmachen, eine Genehmigung mit Arten-, Lärmschutzgutachten und einigem mehr eingeholt werden. Insgesamt also sehr viele Unwägbarkeiten: „Angefangen werden muss aber trotzdem“, sagt Kiwitt, „denn aus Abwarten entsteht sicher kein Strom.“