Die Signale stehen auf rot: Verkehrsminister Dobrindt verschiebt den Start der Pkw-Maut Foto: dpa

Einigermaßen überraschend legt der Verkehrsminister die Pkw-Maut auf Eis. Bis der Streit mit Brüssel beigelegt ist, passiert erst einmal nichts mehr. Aber damit fangen die Probleme genau genommen erst an.

Stuttgart/Berlin - Ein Satz, ein Auftrag. „Ein Alexander Dobrindt scheitert nicht“, kommentierte der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer gewohnt süffisant Nachfragen, da hatte der CSU-Chef seinen früheren Generalsekretär gerade auf den Posten des Bundesverkehrsministers der Großen Koalition von CDU, CSU und SPD geschoben. Inzwischen muss dieser Satz sowohl Seehofer wie auch Dobrindt in den Ohren klingen.

Spätestens seit gestern ist Seehofers Prophezeiung aus dem Bundestagswahlkampf 2013, eine Pkw-Maut nur für Ausländer in Deutschland einzuführen, für Dobrindt noch einmal schwieriger geworden. Gedacht als Muntermacher für viele CSU-Wähler in grenznahen Wahlkreisen zur Alpenrepublik Österreich, in der bayerische Autofahrer seit Jahren das „Pickerl“ zahlen müssen, während Österreicher mautfrei über deutsche Autobahnen und Bundesstraßen rollen, droht der Wahlkampfschlager Pkw-Maut zum Rohrkrepierer zu werden.

Der Grund: Die EU-Kommission teilte kurzerhand mit, gegen die Pkw-Maut „Made in Germany“ juristisch vorzugehen und ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten. Denn: Eine Straßennutzungsgebühr sei nur dann EU-rechtskonform, wenn sie nicht aufgrund der Staatsangehörigkeit diskriminiere. Der Vorwurf: Deutsche Autofahrer würden entlastet, weil deren Kfz-Steuer mit der Maut verrechnet würde, wovon Ausländer nicht profitieren würden.

Dobrindt als Mann der Maut kalt ausgebremst?

Im Bundestagswahlkampf hatte Seehofer noch getönt: „Diese Maut für Ausländer muss kommen, und sie wird kommen – das ist eine Frage der Gerechtigkeit.“ Und jetzt Dobrindt als Mann der Maut kalt ausgebremst? Der 45 Jahre alte Soziologe aus Oberbayern, den Seehofer 2009 als Entdeckung aus der „CSU-Talentschmiede“ zunächst zum Generalsekretär machte, verschiebt jetzt notgedrungen den ursprünglich für Anfang 2016 geplanten Start der Pkw-Maut. Am Donnerstag beeilte er sich, nochmals zu betonen, was er seit Monaten sagt: „Wir verhalten uns rechtsstaatskonform.“ Die Bundesregierung werde ihrem „Recht auf einen Systemwechsel nachkommen“. Was Deutschland für deutsche Autofahrer regele, „geht Brüssel nichts an“.

Dabei wissen Seehofer wie Dobrindt, dass sowohl Bundeskanzlerin Angela Merkel wie auch Vizekanzler Sigmar Gabriel keine Freunde der Pkw-Maut sind. Weder die CDU-Chefin noch der SPD-Vorsitzende wollten die Maut, winkten die Abgabe als CSU-Vorhaben für ein Zustandekommen der Großen Koalition aber durch. Dabei hatte Merkel, als hätte sie Widerstand aus Brüssel geahnt, noch in ihrem Grußwort an den CSU-Parteitag vergangenen Dezember in Nürnberg gesagt, sie stehe zu ihrem Wort und damit zur Maut, wenn nicht noch Unvorhergesehenes passiere. Im Koalitionsvertrag ist die Pkw-Maut mit der Maßgabe vereinbart, dass deutsche Autofahrer nicht zusätzlich belastet würden und mit EU-Recht konform sei.

Die Bundesregierung hat nun zwei Monate Zeit, um Stellung zu nehmen – und will „dies vollumfänglich tun“, so Dobrindt in einer Aktuellen Stunde des Bundestags. Sind die Fronten weiter verhärtet, wird Brüssel Deutschland erneut auffordern, seine Pläne binnen zwei Monaten mit dem EU-Recht in Einklang zu bringen. Wenn es dann keinen Kompromiss gibt, landet der Fall vor dem Europäischen Gerichtshof.

Kippen die Richter die Maut, müsste Dobrindt sein Konzept nachbessern. Der Minister will das ausfechten: „Ich werde mit Brüssel eine harte Auseinandersetzung führen. Am Schluss wird der Europäische Gerichtshof entscheiden“, verkündet er via „Bild“. Dafür braucht es einen langen Atem: Bis zu einem Urteil kann es zwei Jahre dauern. Die Opposition warnt aber schon längst, dass am Ende eine „Maut für alle“ stehen wird. Dobrindt dürfte größtes Interesse daran haben, diesen Eindruck gar nicht erst entstehen zu lassen.