Der Mangel am Pflegepersonal treibt die Mitarbeiter der Kliniken, wie hier in Tübingen, immer wieder auf die Straße. Doch für Personal aus dem Ausland gibt es hohe Hürden. Foto: dpa

Ein Verein will arbeitslose Fachkräfte aus dem asiatischen Bhutan nach Deutschland holen, um hier den Personalmangel in den Krankenhäusern zu lindern. Bereits im März hätte das Projekt starten sollen – doch das Arbeitsministerium blockt ab.

Bietigheim-Bissingen -

Dutzende arbeitslose Krankenpfleger in Asien, ein massiver Mangel an eben diesen Fachkräften hierzulande: ein Austauschprojekt für medizinisches Personal des Vereins Bhutanhilfe aus Bietigheim-Bissingen klingt demzufolge einleuchtend. Doch das Vorhaben, in den kommenden Jahren rund 150 junge Pflegekräfte aus Bhutan, einem Land am Rande des Himalaja-Gebirges, nach Deutschland zu holen, um hier den Pflegenotstand zu lindern, droht zu scheitern. Der Grund: unerwartete bürokratische Hürden.

Wolfgang Pfeiffer, pensionierter Chirurg und Honorarkonsul von Bhutan, ist nach eigener Aussage im Jahr 2016 von der Regierung des 750 000-Einwohner-Landes gebeten worden, den Austausch zu organisieren. In Bhutan gebe es zu viele Pfleger, viele der examinierten Fachkräfte würden keine Arbeit finden. Sie sollen nach dem Willen der bhutanesischen Regierung in Europa lernen, arbeiten und später mit breiterem Wissen zurückkehren, um das medizinische Niveau in der Heimat zu verbessern. Viele Partner will Pfeiffer schon von dem Projekt überzeugt haben, unter anderem die Bundesagentur für Arbeit und den baden-württembergischen Sozialminister Manne Lucha (Grüne).

Bis zu 150 Pfleger sollten nach Deutschland kommen

Deutlich skeptischer ist aber das Bundesarbeitsministerium – und hat deshalb sein Veto gegen den Start des Projekts eingelegt. Die Behörde beruft sich auf eine Liste der Weltgesundheitsorganisation WHO aus dem Jahr 2010, wonach aus Bhutan kein Pflegepersonal abgeworben werden darf, um das dortige Gesundheitssystem nicht zu gefährden. „Das Verbot der privaten Anwerbung soll gewährleisten, dass in Ländern, die selbst eine Mangelsituation im Bereich der Gesundheits- und Pflegeberufe aufweisen, keine Abwerbung erfolgt“, teilt ein Sprecher von Minister Hubertus Heil (SPD) mit.

Eine Sorge, die Wolfgang Pfeiffer nicht teilt: „Durch die Kooperation entsteht in Bhutan kein Mangel“, meint der 71-Jährige, der selbst seit Jahrzehnten in das kleine Land reist. Das sei in einem Brief des Regierungschefs Tshering Tobgay an Ministerpräsident Winfried Kretschmann auch so dargelegt worden. Vielmehr ist laut Pfeiffer die Statistik für den Bericht der WHO „von der Jahrtausendwende“ und deshalb veraltet. Heute gebe es einen Überschuss an Pflegern und Krankenschwestern. Man werbe dieses Personal auch nicht ab, sondern organisiere lediglich einen Austausch.

Am bittersten stößt Pfeiffer aber auf, dass mit den ausländischen Fachkräften der hiesige Pflegenotstand gelindert werden könnte – „doch wir werden einfach ausgebremst“. Für die ersten 30 Pfleger, die schon im März nach Deutschland hätten kommen sollen, hatte der Honorarkonsul bereits Arbeitsstellen in Krankenhäuser im Kreis Ludwigsburg, am Konstanzer Klinikum und im Hohenlohekreis im Auge.

Allein in Ludwigsburg werden 80 Stellen frei

Alexander Tsongas, Sprecher der Regionalen Klinikenholding (RKH), wozu die Krankenhäuser in Ludwigsburg und Bietigheim-Bissingen gehören, spricht von einer „guten Idee“. Tatsächlich sei der Bedarf an Pflegepersonal immens, allein in Ludwigsburg würden altersbedingt bald 80 Stellen frei. Trotzdem gelte es, einige behördliche Entscheidungen abzuwarten.

Denn auch das Stuttgarter Regierungspräsidium beschäftigt sich derzeit mit dem Pilotprojekt: es prüft die Ausbildungsstandards in dem fernen Land. Erst wenn festgestellt wird, dass die Ausbildung dort den Ansprüchen hierzulande genügt, können die ersten Pfleger aus Bhutan auf den Stationen arbeiten. Zunächst sollen sie anderthalb Jahre Deutsch lernen und Erfahrungen sammeln, danach gut drei Jahre als vollwertige Arbeitskräfte eingesetzt werden. Nach dem Veto aus Berlin ist allerdings unklar, wann die Kooperation beginnen kann – weshalb Wolfgang Pfeiffer nun an die Öffentlichkeit gegangen ist.

Ein bisschen Hoffnung gibt es allerdings: Laut seinem Sprecher prüft das Arbeitsministerium derzeit, wie eine Kooperation mit Ländern von der WHO-Liste doch noch möglich gemacht werden kann. „Es gibt so viele Ausnahmeregeln“, sagt Wolfgang Pfeiffer. „Vielleicht auch für uns.“