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Ärzte und Philosophen fordern eine Debatte über leistungssteigernde Medikamente fürs Gehirn.

Berlin - Noch sind sie Zukunftsmusik: Pillen, die das Hirn vor der Prüfung auf höchste Konzentration einstellen oder beim Streit mit dem Partner für mehr Empathie sorgen. Obwohl keine Studie derartige Wirkungen bislang bestätigt hat, gelten Medikamente wie Ritalin, Modafinil und bestimmte Psychopharmaka als Leistungssteigerer und Glückspillen, wenn sie von Gesunden eingenommen werden. Die Verschreibungszahlen dieser Stoffe lassen vermuten, dass es auch in Deutschland immer mehr Hirn-Doper gibt.

Sieben Mediziner, Philosophen und Juristen plädieren in ihrem Memorandum "Das optimierte Gehirn" nun für einen liberalen, aber kritischen Umgang mit sogenannten Neuro-Enhancement-Präparaten (NEP), frei übersetzt: Präparate zum Nerven-Doping. Von Andrea BarthélémyWas würde passieren, wenn in Zukunft eine nebenwirkungsfreie Glückspille zur Verfügung stünde? Welche Probleme und neuen Möglichkeiten - für den Einzelnen und für die Gesellschaft - resultierten daraus? Diesen Fragen gehen die Autoren nach. Das Memorandum ist aus einem vom Bundesforschungsministerium finanzierten Projekt hervorgegangen und wurde am Montag von der Stuttgarter Zeitschrift "Gehirn & Geist" veröffentlicht.

"Wir vertreten die Ansicht, dass es keine überzeugenden grundsätzlichen Einwände gegen eine pharmazeutische Verbesserung des Gehirns oder der Psyche gibt", schreiben sie. Schließlich müsse ein liberaler Verfassungsstaat jedem Einzelnen das Recht gewähren, dies für sich selbst zu entscheiden. Verbote, so sind die Forscher überzeugt, können nur der letzte Ausweg sein. Wenn etwa soziale Ungerechtigkeiten verschärft würden, müssten Staat und Gesetzgeber regulierend eingreifen.

Und es müsse genau hingeschaut werden. "Wenn jemand diese Präparate nehmen würde, nur weil alle sie nehmen und er sich unter Druck gesetzt fühlt, sonst nicht bestehen zu können, dann ist das ohne Zweifel problematisch", sagt der Philosoph und Projektkoordinator Thorsten Galert von der Europäischen Akademie in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Das grundlegende Problem seien dann jedoch nicht die Präparate, sondern der wachsende Leistungsdruck in der Gesellschaft, den es zu verändern gelte.

Derzeitigen gibt es keinerlei Daten zu Nebenwirkungen und Langzeitfolgen der derzeit als NEPs genutzten Substanzen an Gesunden. Es fehlen Forschungen, die auch über eventuelle Probleme neuer Substanzen zur Leistungsoptimierung aufklären würden, etwa Gefühle der Selbstentfremdung oder Persönlichkeitsveränderungen. "Es wäre falsch, die Durchführung entsprechend komplexer Wirkungsstudien allein den Pharmaunternehmen zu überlassen", sagt Galert.

Bisher werden Mittel wie Ritalin, Modafinil oder Antidementiva nur bei Krankheit verschrieben. Wer sie dennoch haben will, muss sie illegal über das Internet beziehen.