Das Haus mit den grauen Balken, links vom Geburtshaus, würde sich der Schillerverein gerne sichern. Foto: Werner Kuhnle

Der Schillerverein in Marbach am Neckar sieht eine Jahrhundertchance. Das Museum könnte durch den Kauf des Nachbargebäudes vergrößert werden. Damit würden gleich mehrere Probleme gelöst.

An Schillers Geburtshaus wurde zuletzt kaum ein gutes Haar gelassen. Vor allem einige Stadträte stichelten immer wieder, monierten, dass die Ausstellung nicht mehr zeitgemäß sei. Menschen, die nicht gut zu Fuß oder gar auf den Rollstuhl angewiesen sind, haben ebenfalls Grund zu klagen, gibt es doch keinen barrierefreien Zugang. All diese Kritikpunkte könnten bald Schnee von gestern sein. Der Schillerverein als Betreiber des Museums arbeitet hinter den Kulissen an einem großen Wurf: Angestrebt wird, das Nachbargebäude in der Niklastorstraße 29 zu erwerben, einen Durchbruch herzustellen, den Servicebereich dorthin auszulagern und dann die Ausstellung zu erweitern und zu modernisieren.

 

Erben machen den Weg frei

„Das ist eine Jahrhundertchance. Das wäre ein ganz großer Schritt für Marbach und den Schillerverein“, sagt der Zweite Vorsitzende Birger Laing. Man habe schon länger ein Auge auf das Nachbarhaus geworfen, vor etwa zwei Jahren sei die Besitzerin verstorben und die Erben nun bereit, an den Verein zu verkaufen. Schlage man jetzt nicht ein, komme jemand anders zum Zug und die Immobilie sei wahrscheinlich für Jahrzehnte vom Markt. Rund 420 000 Euro müssten Laing und seine Mitstreiter in die Hand nehmen. Viel Geld für den Kreis der Schillerverehrer, der finanziell nicht auf Rosen gebettet ist. Doch eine Art weißer Ritter ist in Sicht. „Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz würde uns ein Darlehen geben“, sagt Laing.

Mitglieder müssen zustimmen

Fragte sich nur wie der Verein, der beim Betrieb des Museums mehr Ausgaben als Einnahmen verzeichnet, die Schulden jemals zurückzahlen könnte. Doch auch dafür hat Laing eine Lösung parat. Das Zauberwort lautet Fundraising, also das konzertierte Sammeln von Spendengeldern. Ein Thema, in dem Laing geschult ist. Er war schon bei vielen entsprechenden Aktionen eingebunden. „Für den Synagogenplatz in Ludwigsburg haben wir zum Beispiel in einem halben Jahr 120 000 Euro zusammenbekommen“, erklärt er. Insofern ist er zuversichtlich, diese Hürde zu meistern. Der erste Schritt wäre allerdings, dass die Mitglieder am Montag bei ihrer Versammlung das Okay geben, den Kauf des Hauses in trockene Tücher zu bringen. Das scheint eher eine Formalie zu sein. Dem Vernehmen nach sieht man das Vorhaben sehr positiv bei den Schillerverehrern.

Anschließend würde man geschätzt 700 000 Euro benötigen, um das Museum auszubauen und umzugestalten, sagt Birger Laing. „Da habe ich von Stiftungen Zusagen, die wollen uns auf jeden Fall helfen“, erklärt er. Zudem habe die Landes-Wissenschaftsministerin Petra Olschowski bei einem Besuch im November in Marbach erklärt, dass der Bund bei solchen Projekten 50 Prozent der Kosten übernehme und das Land sich für die Zuschüsse starkmachen werde.

Museum soll einen Vortragsraum bekommen

Von dem Geld könnten die Nachbarhäuser, die einzig eine gemeinsame Wand trennt, verbunden werden. Das Konzept sieht außerdem vor, ins Erdgeschoss des zu erwerbenden Gebäudes den Kassenbereich und die Toiletten zu verlagern. Es könnten separate stille Örtchen für Männer und Frauen sowie ein barrierefreies WCs eingebaut werden. Momentan steht nur ein Abort für alle Geschlechter zur Verfügung, der nicht behindertengerecht gestaltet ist. Außerdem soll ein Museumsshop angesiedelt werden. Souvenirs und Publikationen sind aktuell in Vitrinen verstaut. Nicht zu vergessen Schließfächer und eine Garderobe. „Jetzt gehen die Besucher bei Regen mit nasser Kleidung durch die Ausstellung. Jeder Konservator kriegt da Tränen in den Augen“, erklärt Laing. Ferner würde im neuen Gebäude ein Aufzug installiert. Im Obergeschoss soll ein Vortragsraum für Schulklassen und Lesungen entstehen, was ebenfalls ein Zugewinn wäre und bislang schmerzlich vermisst wird.

Im Gegenzug würde Fläche im Geburtshaus frei werden. Die Ausstellung könnte somit erweitert und komplett neu bespielt werden, erklärt Birger Laing. Die Federführung solle dabei und auch bei der späteren Betreuung des Museums das Deutsche Literaturarchiv (DLA) übernehmen – womit der Verein selbst letztere Last nicht mehr zu tragen hätte. Die Verantwortlichen im DLA seien Feuer und Flamme bei der Vorstellung gewesen, dass der Verein das Haus kaufen könne. „Sie würden das gerne in ihr Ausstellungskonzept miteinbeziehen und im Geburtshaus zum Beispiel Schillers Kindheitsjahre und auf der Schillerhöhe seine Mannesjahre in den Mittelpunkt stellen“, erklärt Birger Laing. Aber all solche Dinge müssten noch abschließend verhandelt werden.

Im Austausch mit dem Literaturarchiv, aber noch nichts entschieden

Man befinde sich in der Abstimmung, entschieden sei aber noch nichts, bestätigt Alexa Hennemann, Pressesprecherin des Deutschen Literaturarchivs. Das DLA und die Stadt Marbach beziehungsweise der Schillerverein seien ohnehin für die Neuentwicklung des geplanten Literaturparks auf der Schillerhöhe im engen Austausch. „Das Nachdenken über die Zukunft des Geburtshauses ergab sich aus diesem Zusammenhang“, erklärt sie. „Wir freuen uns sehr darüber, dass der Marbacher Schillerverein auf uns zugekommen ist, um über die Zukunft des Schillerhauses zu sprechen. Diese Gespräche dauern an, genaue Pläne oder Verabredungen über mögliche Finanzierungen liegen nicht vor“, ergänzt DLA-Leiterin Sandra Richter.

Von der Pilgerstätte zum offiziellen Museum

Geschichte
 Friedrich Schillers Geburtshaus in der Niklastorstraße 31 in Marbach wurde in den 1690er-Jahren errichtet. Der berühmte Dichter erblickte dort 1759 das Licht der Welt. Die Familie verließ allerdings schon kurz darauf die Stadt. Nach Schillers Tod wurde das Gebäude zu einer Pilgerstätte für Verehrer des Schriftstellers. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde es schließlich zur offiziellen Gedenkstätte umgebaut. In dem Gebäude wurden bis zur Eröffnung des Schiller-Nationalmuseums 1903 auch Manuskripte, Bilder und Gegenstände aus Schillers Besitz gesammelt.

Besitzer
 Der Schillerverein ist Besitzer des Hauses, betreibt zudem das Museum, bei dem in den vergangenen Jahren die Besucherzahlen jedoch rückläufig waren. Der Verein wurde 1835 gegründet und verfolgt seitdem das Ziel, das Andenken an Marbachs berühmtesten Sohn hochzuhalten.