Eisigen Temperaturen und Stürmen hat Stefan Christmann getrotzt. Der Physiker und Naturfotograf war für eine neue Tier-Doku-Reihe der BBC in der Antarktis.
Geislingen/Antarktis - Ausgerechnet Pinguine! Vor ein paar Jahren hätte Stefan Christmann noch mit den Schultern gezuckt beim Gedanken an diese flugunfähigen Seevögel. Vögel habe er als Student früher fast nie vor die Linse bekommen, bekennt der Geislinger Physiker und Naturfotograf, denn die dafür notwendigen Teleobjektive seien ihm viel zu teuer gewesen. Also lichtete er lieber die Orchideenwiesen auf der Schwäbischen Alb und andere heimische Naturschönheiten rund um Geislingen ab.
Eisigen Winden ausgesetzt
Seine Begeisterung für die Naturfotografie teilt der inzwischen professionell ausgestattete Christmann mit vielen. Aber nur wenigen gelingt es, so lange und intensiv in die Lebenswelt einer anderen Spezies einzutauchen – und das unter extremen Wetterbedingungen: Temperaturen bis minus 44 Grad und eisige Winde mit Geschwindigkeiten bis zu 129 Stundenkilometern hat der Physiker 337 Drehtage lang in der Antarktis erlebt.
Christmann gehört zu einem dreiköpfigen Filmteam, das im Auftrag der BBC das Leben der Kaiserpinguine dokumentiert hat. Wie der Geislinger, der immer noch gerne mit der Kamera durchs heimische Längental oder hinauf zum Tegelberg stapft, zu dem Arbeitsplatz am südlichsten Zipfel der Weltkugel kam, darüber später mehr.
Die Tier-Doku-Reihe „Wilde Dynastien“ startet am 18. März
Erst mal zurück zum aktuellen Anlass: Die Aufnahmen sind ein Teil der fünfteiligen Fernseh-Tierdoku-Reihe „Wilde Dynastien“, deren erste Folge an diesem Montag, 18. März, um 20.15 Uhr unter der Federführung des WDR in Das Erste gezeigt wird. Während in der ersten Folge die dramatischen Kämpfe in einem Schimpansenclan rund um das Alphatier David im heißen Senegal thematisiert werden, geht es eine Woche später, am 25. März, am selben Sendeplatz eiskalt zu.
„Man kommt von dort zeitweise nicht weg. Und trotz all der tollen Technik wird klar, dass die Instanzen der Natur größer sind als der Mensch,“ beschreibt der mehrfach ausgezeichnete Fotograf die Lebensbedingungen in der Antarktis. Vor allem der antarktische Winter habe es in sich. Weder mit Schiffen noch Flugzeugen sei die vom Alfred-Wegener-Institut betriebene Polarforschungseinrichtung Neumayer-Station III dann zu erreichen. Dort war das Filmteam elf Monate lang zu Gast.
Eiskristalle, so schön wie Diamantenstaub
Für Stefan Christmann war es eine Rückkehr, als er für die Dreharbeiten im Jahr 2017 Richtung Südpol aufbrach. Bereits 2011 lebte und forschte der 35-Jährige dort 15 Monate lang nahe der Atka-Bucht, einem breiten Eishafen in der Antarktis. Der damals frisch gebackene Physiker, der in Tübingen studiert hat, hatte sich darum beworben, auf der Neumayer III die Messdatenreihen zu betreuen und neue Messgeräte für die Geomagnetik zu installieren. Zum Fotografieren kam er damals nur in seiner Freizeit, doch die Schönheit des antarktischen Winters hatte es ihm bereits damals angetan: „Eiskristalle fliegen da durch die Luft wie Diamantenstaub, das gibt es sonst nirgends“, schwärmt Christmann. Und in den Zeiten, wenn die Sonne nicht aufgeht, sei es keineswegs dunkel. Zu sehen seien wunderbare Lichtstimmungen in Pastellfarben bis zu Orangerot, die ihn immer wieder aufs Neue faszinierten und zur Kamera greifen ließen.
Auf die Idee zum Überwintern hatte ihn ein Antarktisvortrag gebracht. „Danach wusste ich, dass ich dort hinmuss“, beschreibt der abenteuerlustige Physiker seine aufkeimende Begeisterung. Selbst die Vorstellung, den Naturgewalten völlig ausgeliefert zu sein und seine Familie nur noch gelegentlich, per Videotelefonie zu sprechen, konnte ihn nicht bremsen. Dass seine Partnerin sogar seinen zweiten Antarktistrip gutgeheißen hat, rechnet ihr Christmann hoch an, wie er sagt.
Das lange Warten auf den kurzen Höhepunkt
Beim zweiten Trip ins Eis konnte Stefan Christmann seine Leidenschaft fürs Fotografieren, die er eines Tages gerne zu seinem Hauptberuf machen würde, voll ausleben. Bei den Vorbereitungen für die Tier-Dokumentation habe er die BBC, vermittelt vom Alfred-Wegener-Institut, zunächst nur beraten, doch dann kam die verlockende Anfrage.
Das Schlüpfen der Pinguinküken bis zu ihrem kollektiven Sprung ins Meer, auf den das Kamerateam – immer in Sorge, den kurzen Moment zu verpassen – zwei Wochen lang warten musste, zählt Christmann zu den schönsten Erfahrungen auf dieser Mission. Nur wenn es das Wetter zuließ – der längste Sturm dauerte acht Tage – konnten sich die Männer mit ihrer schweren Ausrüstung aufs Eis wagen. An solchen 12- bis 15-Stundentagen habe er alles gegeben, erinnert sich der Fotograf.
Dank der Kochkünste des Teams der Neumayer III habe es ihm nichts ausgemacht, monatelang ohne frische Nahrung auszukommen. Sogar an die Kälte gewöhnte er sich: „Minus zehn oder minus 15 Grad haben sich warm angefühlt, da habe ich ohne Mütze und Handschuhe gearbeitet.“
Im Dienst der Natur
Der 1983 in Koblenz geborene Stefan Christmann kam 2002 bei einem Schüleraustausch im US-Bundesstaat Montana zum Fotografieren. Der ambitionierte Hobbyfotograf wurde 2005 für ein Stipendium der nordamerikanischen Naturfotografen-Organisation Nanpa ausgewählt. Seit 2011 wurde er von der Gesellschaft Deutscher Tierfotografen regelmäßig im Wettbewerb Naturfotograf des Jahres in verschiedenen Kategorien platziert und 2016 auch im internationalen Naturfotografie Wettbewerb Asferico.
Das Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, ein international anerkanntes Kompetenzzentrum, ist mit dem Alfred-Wegener-Institut in kalten und gemäßigten Regionen der Welt aktiv. Angesichts des Klimawandels sollen die komplexen Prozesse im System Erde von der Atmosphäre bis zum Grund der Meere erforscht werden.