Start-up-Unternehmer Benjamin Boy vor einer Ackerfläche bei Markgröningen, wo er eine PV-Anlage bauen will. Foto: Emanuel Hege

Bisher gibt es im Kreis Ludwigsburg wenig Freiflächen-PV – doch das wird sich ändern. In der Mitte des Kreises planen Benjamin Boy und sein Geschäftspartner fünf Anlagen auf Ackerflächen. Die betroffenen Landwirte freut es.

Die Herbstsonne leuchtet grell über das Feld zwischen Markgröningen und Schwieberdingen. Das Gras, das den durchfurchten Acker überwuchert, tanzt im Wind hin und her. Hier, zwischen dem Bosch-Werk, der Deponie am Froschgraben und den Bahngleisen, soll ab dem kommenden Jahr Energie anstatt Weizen erzeugt werden. Die sechs Hektar große PV-Anlage ist eine von fünf Freiflächenanlagen, die in der Mitte des Landkreises Ludwigsburg entlang von ICE-Gleisen und der A 81 entstehen sollen.

Was nach dem Projekt eines großen Energieunternehmens klingt, ist das Werk zweier Männer aus der Region – Benjamin Boy und Julian Schreder. Sie planen kleinteilige Anlagen, beziehen Landwirte in die Planung mit ein und beteiligen sie an den Erträgen aus der Stromgewinnung. Ein aufwendiges Konzept, das den Ausbau der Erneuerbaren im Landkreis aus dem Tiefschlaf rütteln könnte.

Überblick über die fünf PV-Freiflächenanlagen. /Manfred Zapletal

Denn zurzeit hinkt die Stromerzeugung durch Freiflächen-PV zwischen Enz und Neckar hinterher. Laut Daten der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg gehört Ludwigsburg zu Landkreisen mit der schlechtesten Freiflächenausbeute im ganzen Land. Es ist aber auch einer derjenigen Landkreise, in denen es besonders wenig Potenzialflächen für große PV-Freiflächenanlagen gibt.

Das hat Gründe: Erstens ist der Boden im Landkreis außergewöhnlich fruchtbar, gleichzeitig ist der Platz knapp – es wird um jeden Hektar Ackerfläche gekämpft. Zweitens ist der Bodenbesitz im Kreis sehr kleinteilig, 50 Hektar oder mehr in der Hand eines Besitzers sind selten. Doch genau diese zusammenhängenden Flächen braucht es, damit das Interesse von großen Freiflächen-Entwicklern wie der EnBW geweckt wird.

Benjamin Boy und Julian Schreder haben die besonderen Voraussetzungen im Landkreis Ludwigsburg erkannt und eine Nische für sich entdeckt. Beide arbeiteten jahrelang in der Branche und setzten für den Entwickler wpd aus Bietigheim-Bissingen Wind- und PV-Projekte in ganz Deutschland um. „Wir wollten aber schon länger etwas Eigenes aufbauen, dann kamen die Gesetzesänderungen 2023“, sagt Boy. Die erleichterten den Bau von PV-Anlagen entlang von Bahngleisen und Autobahnen. Unter anderem ist keine Baugenehmigung mehr nötig, ein Gemeinderat darf sich zwar einbringen, die Freiflächenprojekte aber nicht verhindern.

Boy und Schreder gründeten Anfang des Jahres ihr Unternehmen Strom-Ernte und starteten ganz pragmatisch: „Wir haben uns erst einmal die Karte angeguckt, um zu sehen, welche Flächen infrage kommen – dann haben wir zum Telefon gegriffen.“ Die beiden haben laut eigener Aussage unzählige Landwirte für eine Zusammenarbeit angefragt, jedes Fleckchen entlang von Gleisen und der Autobahn sei ausgelotet worden. Am Ende kamen insgesamt 30 Hektar von 25 Landwirten zusammen, verteilt auf fünf Flecken in Markgröningen, Schwieberdingen und Möglingen.

Einer der Partnerlandwirte ist Martin Glaser. Ein Teil seiner Böden liefere sehr wenig Ertrag – „nur ein Viertel an Weizen und nur die Hälfte an Rüben“ – er entschied sich, darauf mit Boy und Schreder PV-Anlagen zu bauen. Er investiert 25 Prozent der Gesamtsumme in die PV-Anlage, weitere kleine Investitionen verteilen sich auf angrenzende Landwirte, 50 Prozent steuern Boy und Schreder bei. Der Gewinn aus der Stromerzeugung wird dann zu gleichen Teilen an die Partner ausgezahlt. Er wolle zur Energiewende beitragen und versuchen, doch noch etwas aus seinen unfruchtbaren Feldern herauszuholen, sagt Glaser. Leicht sei ihm das alles aber nicht gefallen, so der 64-Jährige: „Denn landwirtschaftliche Fläche ist eigentlich für die Erzeugung von Lebensmitteln da, nicht für PV-Anlagen.“

Benjamin Boy und Julian Schreder pflegen das Bild der bodenständigen Unternehmer von nebenan. Sie grenzen sich bewusst von großen Investoren und Energieunternehmen ab und betonen immer wieder den Umgang auf Augenhöhe – das kommt nicht nur bei den 25 Partner-Landwirten an, sondern auch bei den Lokalpolitikern.

„Wenn wir in den Gemeinderäten die Projekte vorstellen, können wir die meisten Sorgen nehmen“, sagt Boy. Der Energieunternehmer beantwortete bereits in Markgröningen, Schwieberdingen und Möglingen Fragen, große Gegenwehr aus Verwaltungen oder Gremien gibt es nicht. Fläche werde kaum versiegelt, Äcker, die bebaut werden, seien sowieso kaum noch in Nutzung. Die Entscheidungen würden nicht über Köpfe hinweg getroffen werden, alle betroffenen Landwirte seien einbezogen. Es sei eine Win-Situation für alle Seiten, fasst Boy zusammen.

Wohin der Strom verkauft wird, steht derweil noch nicht fest. Es gebe Gespräche mit einem möglichen Direktabnehmer aus dem Schwieberdinger Gewerbegebiet, sagt Boy. Ansonsten soll der Strom wenn möglich an die Stadtwerke im Umkreis verkauft werden. Auch hier zählt also die Region – die noch viel aufzuholen hat beim Thema Freiflächen-PV.

Geschäftsmodell steht auf der Kippe

Verträge
Im besten Fall schließen Boy, Schreder und die Landwirte Verträge mit Direktabnehmern wie Industrieunternehmen und Stadtwerken, um damit einen festen Centbetrag pro Kilowattstunde für mehrere Jahre festzulegen. Das brächte Planungssicherheit und die Möglichkeit, Kredite für den Bau von PV-Anlagen zu bekommen.

Einspeisung
Denn wenn die Energie nicht direkt in der Region abgenommen wird, müssten Boy, Schreder und die Landwirte ihre Energie in das öffentliche Netz einspeisen. Die Vergütung pro Kilowattstunde würde in diesem Fall stark schwanken und läge aktuell bei nur 5 Cent pro Kilowattstunde. Das gesamte Geschäftsmodell stünde auf der Kippe.