Dieser Major wird des Drogenhandels verdächtigt. Foto:  

Der Präsident der Philippinen, Rodrigo Duterte, agiert mit einer „Liste der Schande“ und droht mit Notstandsgesetzen.

Manila - Die „Liste der Schande“, die Rodrigo Duterte in Manila veröffentlichte, fuhr den 150 Betroffenen durch Mark und Bein. Der Präsident der Philippinen warf Richtern, Bürgermeistern, Polizisten und Armeeoffizieren Verwicklung in Drogengeschäfte vor. Duterte entzog ihnen die Lizenz für Pistolen, rief Leibwachen zurück und tönte: „Die Welt soll euch nackt sehen, damit die Leute verstehen, welche Sorte von Gangstern ihr seid.“

Tote Richter und Polizisten

Seine Mitarbeiter hatten zwar geschlampt, wie schnell herausstellte. Auf der Liste standen ein toter Richter und mehrere verstorbene Polizisten und Offiziere. Dennoch fuhr dieVerkündung der Liste den teils heftig protestierenden Betroffenen durch Mark und Bein. Missachtung der unmissverständlichen „Einladung“, sich umgehend bei der Polizei zu stellen, bedeutet allzu oft einen schnellen Tod durch eine Kugel der Polizei.

„Dirty Duterte“, wie der seit 1. Juli amtierende neue Präsident wegen seiner schmutzigen Reden und einem Freibrief für Polizisten heisst, Drogenverdächtige zu erschießen, macht Ernst mit seinen Wahlversprechen. Wie gewohnt spricht der frühere Bürgermeister und Staatsanwalt aus Davao City eine deftige Sprache.

Nickel wird teurer

Den übermächtigen Nachbarn China drangsaliert Duterte nicht nur mit seinem Beharren auf philippinischen Territorialansprüchen im Südchinesischen Meer. Duterte schloss seit seinem Amtsantritt auch sieben der 27 Nickelbergwerke aus Umweltschutzgründen. Die Preiserhöhung von 13 Prozent für den wertvollen Stoff, mit dessen Hilfe rostfreier Stahl hergestellt wird, trifft vor allem China, das 90 Prozent seines Bedarfs auf den Philippinen deckt.

Aber Dutertes Wahlversprechen, die Drogenkriminalität innerhalb des ersten halben Jahres seiner Amtsperiode auszulöschen, steht immer noch im Mittelpunkt seiner Politik. Bis zu 700 Kleinkriminelle und Unschuldige wurden seit Anfang Juli laut Schätzungen von Menschenrechtsgruppen ohne Haftbefehl oder Richterbeschluss erschossen – durchschnittlich etwa 15 pro Tag.. „Ich will nicht, dass die Polizei Kugeln verschwendet“, verlangte Duterte, „sie soll schießen, um zu töten.“

Schlampige Mitarbeiter

Doch Dirty Duterte muss um seinen Ruf als populärer Verbrechensbekämpfer fürchten. Der tägliche Massenmord findet überwiegend in den Slums des Landes statt. Die Liste der 150 Richter, Polizisten und Militärs, die er der Öffentlichkeit präsentierte, sollte die lauter werdende Kritik an einem Anti-Drogen-Krieg entkräften. Duterte hatte freilich die Rechnung ohne seine schlampigen Mitarbeiter gemacht, die falsche Namen oder teils schon Verstorbene auf die „Liste der Schande“ setzten. Außerdem war er völlig überrascht, als ausgerechnet die Chefrichterin der Philippinen ihm in die Parade fuhr. „Ich rate den betroffenen Richtern, sich erst zu stellen, wenn ein Haftbefehl oder ein entsprechender Befehl vorliegt“, erklärte Maria Lourdes Sereno und schrieb Duterte in einem Brief: „Ich hätte es für angebracht gehalten, wenn wir vor der Veröffentlichung von den Vorwürfen informiert worden wären.“

Duterte schlug zurück: „Ich rate ihnen, keine Krise anzuzetteln“, fauchte Duterte bei einer Ansprache vor Soldaten an die Adresse der Chefrichterin und drohte, „sie müssen mich respektieren, nicht umgekehrt. Ich kann schließlich meinem Beamtenapparat befehlen, sie zu ignorieren.“ Und er fügte hinzu: „Ich kann ja stattdessen den Notstand verkünden.“

Öffentliche Wortduelle

Ein paar Tage später raspelte das Staatsoberhaupt zwar wieder Süßholz und bat um Verzeihung für seine „harschen Worte“. Aber das öffentliche Wortduell zeigt, wie sehr Duterte seine Popularität zu nutzen bereit ist, um sich über gültige Regeln auf den Philippinen hinweg zu setzen. Umfragen geben dem wortgewaltigen Staatschef Zustimmungswerte bis 91 Prozent.

Die Regierung versucht, ihren Anspruch auf Erfolg mit Zahlen zu veröffentlichen. Danach schrumpfte die Zahl der Verbrechen um fast zehn Prozent von 56 339 im Juli 2015 auf 50 817 im gleichen Monat diesen Jahres. Bei Mord, Totschlag, schwerem Raub und Autodiebstahl sanken die Zahlen laut Manila gar um 31 Prozent. Darin sind die 551 Toten nicht eingeschlossen, die laut Angaben der Nationalen Polizei der Philippinen von den eigenen Beamten kurzerhand erschossen wurden. Ein Sprecher Dutertes verkündete voller Stolz: „Seit dem Amtsantritt von Duterte haben sich 600 000 Drogendealer und Drogennutzer gestellt. 3000 wurden verhaftet.“