Durch die abgeblasene Übernahme des Stuttgarter Pharma-Händlers Celesio haben besonders kleine Anleger Federn lassen müssen. Auf die unerwarteten Ereignisse konnten sie nicht schnell genug reagieren.
Durch die abgeblasene Übernahme des Stuttgarter Pharma-Händlers Celesio haben besonders kleine Anleger Federn lassen müssen. Auf die unerwarteten Ereignisse konnten sie nicht schnell genug reagieren.
Stuttgart - Warum ist der Zusammenschluss von Celesio mit dem US-Pharmahändler McKesson in letzter Sekunde gescheitert?
Auch mehr als 36 Stunden nach Ende der Übernahmepläne ist diese Frage noch nicht voll geklärt. Fakt ist: Ende Oktober 2013 kündigte McKesson an, Celesio mehrheitlich zu übernehmen. Die Amerikaner definierten dabei eine rote Linie: Erst wenn mindestens 75 Prozent der Celesio-Anteile – sogenannte Wandelanleihen mitgerechnet – zusammengekommen seien, sollte der Deal über die Bühne gehen. Seit vergangenem Montag ist nun klar: Die magische 75-Prozent-Schwelle, die dem Käufer eine umfassende Abführung der Celesio-Gewinne ermöglicht hätte, kam nicht zustande. Insgesamt wurden nur 72,33 Prozent der Celesio-Anteile McKesson zum Kauf angeboten. Daraufhin erklärte das Unternehmen das Geschäft für zunächst gescheitert. Alles bleibt also zunächst beim Alten.
Was bedeutet das für die Kleinaktionäre von Celesio?
Nach dem gescheiterten Celesio-Deal herrschte gestern unter den Aktionären Unruhe. Viele waren auf die Offerte des Celesio-Aufkäufers McKesson eingegangen und hatten ihre Aktien zu 23 Euro beziehungsweise 23,50 Euro je Stück an den US-Konzern abgegeben. Das galt als gutes Geschäft. Nachdem am späten Montagabend bekanntwurde, dass die Übernahme geplatzt war und der Celesio-Kurs abrutschte, wollten einige der Kleinanleger ihre Aktien möglichst schnell und ohne große Kursverluste losschlagen. Allerdings: Sie kamen an ihre Papiere gar nicht mehr heran. In der Zwischenzeit fielen die Kurse weiter, im nachbörslichen Handel um bis zu 16 Prozent. Die Unruhe unter den Anteilseignern wuchs.
Was war passiert?
Bei Übernahmeprozessen wie jetzt bei Celesio werden die entsprechenden Aktien der verkaufswilligen Anleger nach Angaben der Börse Stuttgart von den jeweiligen Depot-Banken gesperrt. So kann am Ende der Angebotsfrist reiner Tisch gemacht und bestimmt werden, ob der Übernahmeversuch geglückt ist. Gelingt er, erhalten die Aktionäre den vereinbarten Preis für ihre Aktien. Misslingt das Unterfangen – wie jetzt bei Celesio –, müssen die vorher geblockten Aktien der Anleger entsperrt werden. Und genau hier haben Kleinaktionäre nach Ansicht von Fachleuten gegenüber Großinvestoren das Nachsehen. Letztere verfügen über direkte Drähte zu ihren Depot-Banken und können daher schnell wieder über ihre Aktien verfügen. Sie können die Anteile dann beispielsweise schnell abstoßen, um Kursverluste nach dem Scheitern eines Übernahmeversuchs zu vermeiden.
Was ist das Problem für die Kleinanleger?
Bei den Kleinaktionären gibt es diesen direkten Draht zu den Bankinstituten nicht. „Der Kleinanleger ist der Letzte in der Kette“, sagt etwa Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Kleinaktionäre seien gegenüber großen Investoren definitiv benachteiligt. Nach Ansicht des Fachmanns müssen die Aktien auch der Kleinanleger „direkt freigegeben werden“ – etwa wenn klar ist, dass ein Übernahmeversuch abgeblasen wird. Im Fall von Celesio war das spätestens am späten Montagabend der Fall. Kleinanleger berichten aber, dass ihre Aktien noch während des gesamten Dienstagvormittags geblockt waren. Auf unvorhersehbare Kursveränderungen können sie also erst mit großer Zeitverzögerung reagieren. „Es kann nicht sein, dass dieser Teil der Aktionäre die Zeche zahlen muss“, sagt Tüngler. Eventuell seien die Aktionäre allerdings auf entsprechende Zeitverzögerungen hingewiesen worden.
Haben nicht auch die Großinvestoren Verluste zu befürchten?
Celesio ist zu 50,01 Prozent in Besitz des Duisburger Mischkonzerns Haniel. Dieser hat ein Interesse daran, seinen milliardenschweren Anteil abzustoßen und das Geld anderswo gewinnbringender zu investieren. Insofern ist das Scheitern des Geschäfts nach Ansicht von Fachleuten ein herber Rückschlag für Haniel. Mit 21,3 Prozent der Aktien – inklusive der Wandelanleihen – ist der US-Hedgefonds Elliott nach Angaben der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) der zweitgrößte Celesio-Aktionär. Er war nach der angekündigten Übernahme bei Celesio eingestiegen und spekulierte darauf, seine Anteile im Zuge der Fusion mit satten Gewinnen wieder abzustoßen. Erst kürzlich gelang es Elliott, den von McKesson garantierten Übernahmepreis je Aktie auf 23,50 Euro zu hieven – mit der Drohung, seine Papiere sonst einfach zu behalten, was das Scheitern des Deals bedeutet hätte. Dass genau dieses Szenario nun eingetreten ist, kann Elliott allerdings nicht gefallen. Der Fonds ist mit rund 800 Millionen Euro bei Celesio engagiert und hat nach Angaben von Branchenkennern keinerlei langfristiges Interesse an dem Pharmahändler. Kein Wunder: Reingehen, rausgehen, Kasse machen lautet das Motto vieler Hedgefonds. Die Möglichkeit, von Kurssprüngen zu profitieren, ist nun aber geringer geworden. Laut Übernahmegesetz muss nun erst ein Jahr verstreichen, bis McKesson eine neue Übernahme versuchen darf.
Wie geht es nun weiter?
Die Wogen könnten sich nun glätten. Die Analysten der LBBW jedenfalls raten dazu, die Celesio-Aktie zu halten. Kursziel bleibt 23,50 Euro. Auch eine verstärkte Kooperation zwischen McKesson und Celesio ist nicht vom Tisch. Investoren setzen im Moment darauf, dass der US-Branchengigant einen zweiten Anlauf wagt. McKesson-Chef John Hammergren sagte gestern: „Falls wir es nicht schaffen, dass die Transaktion wieder auf den Tisch kommt, dann gibt es Alternativen für uns.“ Eine Möglichkeit sei ein Gemeinschaftsunternehmen und ein gemeinsamer Einkauf mit Celesio. Mit einem Minus von knapp fünf Prozent hielten sich die Kursverluste von Celesio-Aktien gestern nach Börsenschluss auch im Rahmen. LBBW-Analystin Barbara Ambrus sagt: „Es gibt im Moment noch genug Leute, die mit einer Zusammenarbeit zwischen Celesio und McKesson rechnen“. Viele hielten ihre Aktien weiter.