Die Flüchtlinge sind aus Martinus ausgezogen, das ehemalige Caritas-Pflegeheim wird umgebaut. Neue Wohnformen erfordern aber neue Erbbauverträge. Foto: Lg/Achim Zweygarth

Seit Jahrzehnten gelten für soziale Träger Erbpachtverträge für Grundstücke, deren Verkehrswert aus grauer Vorzeit stammt. Die Stadt will diese neu bewerten und die Zinsen anpassen, dabei aber die Belastungsgrenzen der Pflegeheimbetreiber berücksichtigen.

Stuttgart - Der jüngste Fall spielt auf dem Killesberg: Das Seniorenheim des Roten Kreuzes (DRK) steht auf einem städtischen Grundstück. Vertragsbasis ist ein Erbpachtvertrag. Darin ist festgeschrieben, welchen Erbbauzins das DRK jährlich für die Nutzung bezahlen muss. Ändert sich die Nutzungsart, ändert sich der Vertrag – und das ist auf dem Killesberg wie in vielen anderen Stadtteilen der Fall.

Die neue Heimbauverordnung schreibt Einzelzimmer in Pflegeheimen vor. Betreutes Wohnen für Sozialmieter scheint das Gebot der Stunde, und daneben gibt es noch zahlreiche andere Wohnformen im Alter. Die Altenheimträger in Stuttgart, die mit der Stadt einen Erbpachtvertrag geschlossen haben, müssen der neuen Heimbauordnung folgen und sind offen für neue Wohnformen. Das macht aber die Gestaltung eines neuen Erbpachtvertrags schwer. „Der Erbbauzins unterscheidet sich je nach Wohnform“, sagt Erhard Brändle vom Liegenschaftsamt der Stadt.

Gewerblich genutzte Flächen, etwa vermietete betreute Wohnungen, sind mit sieben Prozent des Verkehrswerts des Grundstücks verzinst, reine Pflegewohnheime mit 0,75 Prozent und Sozialwohnungen mit 0,4 Prozent. „Der Zins bemisst sich zudem am Verkehrswert des Grundstücks. Und der hinkt dem aktuellen Wert hinterher.“

Stadt will Kostenexplosion vermeiden

Grund dafür ist die Entstehungszeit der Erbpachtverträge. „Die meisten stammen aus den 60er Jahren. Berechnungsgrundlage ist der Verkehrswert aus dieser Zeit“, erläutert Abteilungsleiterin Doris Rüdiger. Da derzeit bei vielen Pflegeheimen eine Zweckänderung anstehe, könne man sowohl den Verkehrswert als auch den Zins anpassen. „Wir arbeiten momentan an einer Grundsatzvorlage“, so Doris Rüdiger.

Bei alteingesessenen Vertragspartnern könnte ein höherer Zins „zu einer Kostenexplosion“ führen, räumt sie ein. Deshalb suche man zunächst das Gespräch mit den Akteuren. „An der Runde nehmen zehn bis zwölf Träger teil“, bestätigt Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU). Der Aufwand, für jeden eine Regelung zu finden, dürfte hoch sein – und heikel: „Die fehlenden Pflegeplätze, die sich aus dem Kreispflegeplan lesen lassen, nehme ich sehr ernst. Denn ich will nicht, dass die Stuttgarter wie früher nur auswärts unterkommen, wenn sie Pflege brauchen“, sagt Föll. Deshalb werde man die Neuverträge „mit Fingerspitzengefühl“ aushandeln. Keinesfalls sollen die Träger sozialer Einrichtungen und Pflegeeinrichtungen überfordert werden.

Schnelle Einigung erwünscht

Laut Föll existieren „maximal 40 Erbpachtverträge“ zwischen der Stadt und sozialen Trägern. Diejenigen, die dringend sanieren und umbauen müssen, brauchen möglichst schnell Sicherheiten über die neuen Verträge. Deshalb soll der Grundsatzbeschluss im Gemeinderat „möglichst noch vor der Sommerpause“ fallen.

Das käme auch Raphael Graf von Deym zupass. Der Vorstand des Caritasverbands Stuttgart plant den Umbau von fünf Pflegeheimen, unter anderem des Martinushauses in der Innenstadt. Pflegeheim, Kita, betreutes Wohnen sowie 22 bis 24 Wohnungen mit Sozialbindung sind vorgesehen. Erhöhe sich aber der Erbbauzins beim betreuten Wohnen von vier auf sieben Prozent, würde der Quadratmeterpreis um bis zu drei Euro steigen. „Eine kritische Steigerung, wenn man auf Kante genäht ist“, so der Vorstand.

Träger vertrauen auf Vertragspartner

Die Evangelische Gesellschaft (Eva), zweiter großer Träger in Stuttgart, sei aktuell nicht von der diskutierten Zinserhöhung betroffen, teilt Johannes Stasing, der stellvertretende Vorsitzende des Vorstandes, mit. „Wir haben natürlich das Interesse, dass wir nicht noch zusätzlich durch erhöhte Erbbauzinsen belastet werden, wo wir wegen der Landesbauverordnung schon immense Investitionskosten zu stemmen haben“, lässt er wissen. Aber Stasing ist optimistisch: „Mein Eindruck ist, dass die Stadt das Problem erkannt hat und nach verträglichen Lösungen sucht.“