Die Arbeitsbedingungen in Heimen schreckt junge Menschen von dem Beruf ab, glauben Sozialpolitiker im Landtag. Foto: dpa

Was kommt auf das Land bei der Pflege zu? Eine Enquete-Kommission will dazu im Januar Stellung nehmen. Schon jetzt zeigt sich: Man wird die Arbeitsbedingungen in Heimen verbessern müssen.

Stuttgart - Der Mangel an Pflegekräften in Kliniken und Heimen lässt sich nach Ansicht der Landtags-SPD nur durch bessere Arbeitsbedingungen und ein attraktiveres Berufsbild mildern. Die Fraktion dringt deshalb darauf, dass Baden-Württemberg über den Bundesrat einen verbindlichen Personalschlüssel durchsetzt, der die hohe Arbeitsverdichtung verringert.

Dies ist eine von insgesamt sieben Folgerungen, die die SPD aus der Arbeit der Enquetekommission „Pflege“ ableitet. Das seit Frühjahr 2014 tagende Gremium unter Leitung des CDU-Abgeordneten Helmut Walter Rüeck will seinen Abschlussbericht zwar erst am 22. Januar vorstellen. In diesen Tagen beraten jedoch die Landtagsfraktionen intern die Ergebnisse der Runde.

„Wir haben alle an einem Strich gezogen, ich glaube nicht, dass es allzu viele Minderheitsvoten gibt“, sagte Rüeck am Freitag unserer Zeitung. SPD-Obmann Rainer Hinderer, der seiner Fraktion am vergangenen Dienstag Bericht erstattet hat, bekräftigt: „Es gibt viel Einvernehmen über die grobe Richtung.“

Land braucht Tausende neue Pflegekräfte

Ideologisches Gezänk kann sich der Landtag angesichts der Herausforderung auch nicht leisten. Denn es mangelt schon jetzt so stark an Personal, dass manche neue Heime ihre Arbeit noch nicht aufnehmen können. Ein weiteres Indiz: Bis eine neu ausgeschriebene Stelle besetzt werden kann, vergehen in der Altenpflege im Schnitt 124 Tage. Auf 29 Arbeitslose kommen 100 freie Stellen.

„Dabei wird der Südwesten bis 2050 rund 50 Prozent mehr Fachkräfte benötigen als jetzt“, sagt Hinderer, „das werden dann 163 000 allein in Baden-Württemberg sein.“ Es sei also dringend notwendig, die vorhandenen Pflegekräfte im Beruf zu halten, und zusätzliche zu gewinnen.

Die Bezahlung steht in der Wunschliste der Pflegekräften offenbar nicht an erster Stelle, sondern die Gestaltung der Dienstpläne. „Die wollen, dass wir Ihnen den Alltag ein bisschen einfacher machen“, sagt Hinderer. Denn die Arbeitsbedingungen seien oftmals sehr belastend: „Da geht’s zack zack, die enge Taktung lässt wenig Zeit für Ansprache.“ Oft würden Pflegekräfte auch an ihrem freien Wochenende ins Heim gerufen, weil die Personaldecke nicht ausreiche, um Krankheitsfälle zu puffern. Hinderer: „Das sind dann wenig motivierende Arbeitsbedingungen.“

Initiative in der Länderkammer

Das sieht auch Ausschusschef Rüeck so: „Die Zufriedenheit der Mitarbeiter spielt in der Tat eine große Rolle.“ Er kenne Einrichtungen, die zwar nur 80-Prozent-Arbeitsverträge vergeben, aber 100-prozentige Leistungen verlangten. „Das geht nicht“, sagt der CDU-Mann. Manche Pflegekräfte beklagten sich auch darüber, dass die Dokumentationspflichten überhand nähmen – die Enquete will deshalb in ihrem Bericht auch auf diesen Punkt eingehen.

Für die SPD ist klar, dass nur ein verbindlicher Personalschlüssel in den Heimen die Lage auf den Stationen erleichtern kann. „Den gibt’s noch nicht, bisher ist nur die Fachkräftequote geregelt“, sagt Hinderer. Weil die Kassen dies aber kritisch sähen, sei der Gesetzgeber gefordert: „Wir wollen über den Bundesrat verbindliche Personalschlüssel einführen.“

Dabei müsse allerdings der baden-württembergische Standard, der etwas besser sei als andernorts, die Leitwährung sein. Dass die Pflege- beziehungsweise Krankenkassen dafür dem Beitragszahler tiefer in die Tasche greifen müssen, wäre allerdings die Folge. Ob dies in der Enquete mehrheitsfähig ist, muss sich erst noch zeigen.

Umstrittene Akademisierung

Das zweite Pflegestärkungsgesetz des Bundes, das am 1. Januar 2016 in Kraft tritt, geht jedenfalls noch nicht so weit. Es verpflichtet die Träger der Heime lediglich, bis Mitte 2020 ein wissenschaftlich abgesichertes Verfahren zur Personalbedarfsbemessung zu entwickeln. Damit soll festgestellt werden, wie viele Pflegekräfte die Einrichtungen tatsächlich benötigen.

Differenzen dürfte es in der Landtags-Enquete auch in der Frage geben, wie stark der Pflegeberuf akademisiert werden soll. Die Grünen legen darauf viel Wert, weil sie sich davon eine höhere Attraktivität für den Beruf erwarten, und weil von den Pflegekräftigen zunehmend medizinische Kenntnisse verlangt werden.

Von einer „Teil-Akademisierung“ spricht auch Hinderer. Er sagt aber auch: „Die Grundausbildung soll auch weiterhin mit einem mittleren Bildungsabschluss erreichbar sein.“ Das Ziel von 163 000 Pflegekräften sei sonst nicht erreichbar. Der Landtag will den Bericht der Enquete am 27. Januar beraten.