Bianca Alagna und Frank Oelschläger sitzen mit Masken in ihrer WG. Foto: Lebenshilfe Kirchheim

Außerhalb der Zimmer gilt jetzt Maskenpflicht für die Bewohner von Pflegeheimen. Für die Träger und Heimleitungen im Kreis ist dies nicht akzeptabel.

Ich glaube, dieses Gesetz kann nur jemand geschrieben haben, der ein Pflegeheim nicht von innen kennt“, sagt Thilo Naujoks, Geschäftsführer der städtischen Pflegeheime Esslingen. Die Rede ist vom seit 1. Oktober gültigen, neuen Covid-19-Schutzgesetz. In Pflegeheimen gilt jetzt die FFP2-Maskenpflicht in allen gemeinschaftlich genutzten Räumen. Das bedeutet: Nur im eigenen Schlafzimmer dürfen Heimbewohner ihre Masken ablegen.

Eine Maske im eigenen Heim

Fernsehgucken, ein Schwätzchen halten, duschen gehen, zusammen kochen mit Freunden – alles nur noch mit Maske möglich. „Das verstehe ich nicht“, sagt Bianca Alagna. Sie lebt in einer Wohngemeinschaft für Menschen mit Behinderung in der Kirchheimer Saarstraße. „Wir wohnen doch hier zusammen!“ Heilerziehungspflegerin Sandra Lang sitzt ihr am Tisch gegenüber und schüttelt den Kopf. „Das wäre so, als müsste ich zu Hause in meiner Familie ab jetzt Maske tragen, absolut absurd.“

Man kann die Heimbewohner nicht zwingen

In den Esslinger Pflegeheimen ist die Stimmung ähnlich: „Ich als Geschäftsführer bin ratlos, und viele aus der Pflege sind fassungslos und empört“, sagt Naujoks. „Wir können das nicht umsetzen. Wir werden keinen Zwang ausüben und die Bewohner auch nicht auf ihre Zimmer zurückbringen, wenn sie keine Maske tragen. Das wäre Freiheitsberaubung.“ Man würde sie über das Gesetz informieren und ihnen Masken zur Verfügung stellen. Natürlich würde man ihnen bei Bedarf auch beim Anlegen einer Maske helfen, aber mehr könne man nicht tun. „Ein wesentlicher Auftrag unserer Einrichtungen ist die Förderung der Gemeinschaft, um einer Isolation entgegenzuwirken. Wir können jetzt nicht sämtliche gemeinschaftlichen Aktivitäten wie Singen oder Gottesdienste wieder auf null stellen.“ Es handle sich um den Wohnraum der Menschen und nicht um ein Krankenhaus.

„Die Einhaltung von gesetzlichen Vorgaben ist uns absolut wichtig, aber es ist das erste Mal, dass ich sagen muss: Wie denn?“ Dass jetzt strengere Regeln gelten würden als in der Hochzeit der Pandemie, als es noch keine Impfung und Tests gab, sei nicht nachvollziehbar. 70 Prozent der Bewohner seien demenziell erkrankt. „Die wissen nicht, was das ist, und reißen sich die Maske wieder runter. Wir sagen es ihnen natürlich, aber wir können die Masken ja kaum festbinden.“

18 Stunden Maske am Tag

Tobias Braun, Geschäftsführer der Karl-Schubert-Gemeinschaft Filderstadt, hat einen Brandbrief an alle Bundestagsabgeordneten des Kreises geschrieben. Noch habe er keine Antwort bekommen. „Die Rechte der Menschen mit Behinderung werden missachtet, ganz eindeutig“, sagt er. „Ich fordere von der Bundespolitik, dass diese Maskenpflicht zurückgenommen wird. Menschen mit Behinderung, die in der Werkstatt arbeiten, tragen so bis zu 18 Stunden Maske am Tag.“ Elke Willi, Vorstandsvorsitzende der Lebenshilfe Esslingen, schließt sich an: „Gerade Menschen, die in der Kommunikation stark auf Emotionen angewiesen sind, schauen jetzt den ganzen Tag nur noch in Gesichter mit Masken. Sie werden so abgeschnitten von der Kommunikation und der Gesellschaft.“