Wird ein Familienmitglied pflegebedürftig, türmt sich ein Berg von Fragen auf. Vieles muss geklärt und organisiert werden. Die Awo Marbach-Bottwartal möchte dabei helfen, wobei ein Schwerpunkt auf Demenzerkrankungen liegt.
Wenn der Partner, ein Elternteil oder andere nahe Verwandte plötzlich stark vergesslich, vielleicht auch aggressiv oder auf andere Art seltsam werden, dann sehen sich Angehörige einer Fülle von Fragen gegenüber: Ist das noch normale Vergesslichkeit? Könnte es eine Demenz sein? Wenn ja, wie geht es weiter, wo finde ich Hilfe? Und genau das ist gar nicht so einfach, haben Inès und Hans-Jürgen Stritter festgestellt. Die beiden engagieren sich ehrenamtlich in der Awo; Hans-Jürgen Stritter ist Vorsitzender des Awo-Ortsverein Marbach – Bottwartal, sie hatten selbst Fälle von Demenz in der Familie und wissen daher, wovon sie reden. „Hausärzte sind in Sachen Beratung bei Demenz oft nicht sehr hilfreich“, so die nüchterne Feststellung.
Genau an dieser Stelle setzt der Gesprächskreis für Angehörige demenziell Erkrankter an, der erstmals am 19. Januar um 19 Uhr in den Räumen der Awo in der Niklastorstraße 20 in Marbach stattfindet und ab da einmal im Monat angeboten werden soll. Als weitere Termine sind der 23. Februar und der 4. April ins Auge gefasst.
Geschützter und vertraulicher Rahmen für Gespräche
Wichtig ist den Organisatoren, dass der Gesprächskreis einen geschützten und vertraulichen Rahmen bildet. „Da ist auch Raum für Herzschmerz und die Verzweiflung, wenn man nicht weiß, wie man mit der Situation der Angehörigen umgehen soll“, betont Hans-Jürgen Stritter.
Wegen der Vertraulichkeit ist man auch von der Überlegung abgekommen, den Gesprächskreis an wechselnden Orten im Bottwartal anzubieten. „Gerade in den Dörfern haben die Menschen immer noch Angst, dass die Nachbarn etwas mitbekommen könnten. Das Thema ist immer noch schambehaftet“, weiß der Ortsvereins-Vorsitzende. Und die Abendstunden hat man deshalb ausgewählt, damit auch berufstätige Angehörige die Chance zur Teilnahme haben. So können sie sich unter fachlich kompetenter Leitung über ihren Umgang und ihre Erfahrungen mit den an Demenz Erkrankten austauschen und wertvolle Tipps bekommen.
Ein Netzwerk für optimale Beratung und Unterstützung
Doch wie ist das, wenn man den Angehörigen schon gar nicht mehr allein zu Hause lassen kann? Denn viele, auch diese Erfahrung haben die beiden Stritters gemacht, suchen erst dann Hilfe, wenn die Erkrankung der Angehörigen schon weit fortgeschritten ist und sie selbst mit ihrer Kraft bereits am Ende sind. Auch darüber hat man sich Gedanken gemacht. „Wir möchten auch anbieten, dass der oder die zu Pflegende mitgebracht werden kann und während des Gesprächskreises im Nebenraum betreut wird“, sagt Inès Stritter.
Die Schirmherrschaft für den Gesprächskreis hat die Ulmer Psychologin Sarah Straub übernommen, die über Demenzerkrankungen promoviert hat. Sie wird auch, so die derzeitigen Planungen, von Ende Februar an eine Online-Sprechstunde für Angehörige anbieten. Und sie unterstützt dabei, dass man in Ulm recht schnell einen Untersuchungstermin bekommt, um festzustellen, um welche Art von Erkrankung es sich tatsächlich handelt. „Normalerweise beträgt die Wartezeit für eine Untersuchung sechs bis acht Monate“, weiß Hans-Jürgen Stritter. Außerdem hat die Awo-Ortsgruppe in Marbach und im Bottwartal ein Netzwerk kompetenter Fachleute aufgebaut – von Ärzten über Apotheker bis hin zu Optikern.
Umfassende Information zu allen Fragen rund um Pflegebedürftigkeit
Nun ist Demenz ein Grund für Pflegebedürftigkeit, aber bei weitem nicht der einzige. In allen Fällen müssen für Angehörigen einige Hürden überwunden werden, bis sie die optimale Betreuung finden. Das fange damit an, dass Anträge, etwa für seniorengerechte Einstiege in eine Badewanne, in der Regel erst einmal abgelehnt würden, so der Ortsvereinsvorsitzende. „Viele lassen es dann halt, anstatt Widerspruch einzulegen“, so seine Erkenntnis. Ein Vortrag der Leiterin des Pflegestützpunkts Besigheim, Melanie Wien, am 13. Januar um 15.30 Uhr in den Räumen der Awo Marbach informiert umfassend über alle Fragen rund um die Pflege. Was bedeutet es überhaupt, wenn ich jemanden zu Hause pflege? Welchen Umfang hat das? Welche Anträge muss ich ausfüllen und wie? Wo bekomme ich eine Kostenerstattung? Wo finde ich einen Platz für die Tages- und die Kurzzeitpflege? Und da auch die Suche nach einem dauerhaften Pflegeplatz oft ein großes Problem ist, möchte die Awo mit ihrem Projekt „Demenz-Allianz Marbach – Bottwartal“ auch da zu einer zentralen Anlaufstelle werden, die Auskunft geben kann – zumindest für die Awo-Heime.
Was sonst noch geplant ist
Kurs Veeh-Harfe
Mit Musik erreicht man jeden Menschen, auch dann noch besonders gut, wenn jemand an Demenz erkrankt ist. Oft werden dann Kindheitserinnerungen wach, in Verbindung mit einem Wohlgefühl. Die Awo Marbach – Bottwartal bietet deshalb ab Anfang Februar einen Kurs für die Veeh-Harfe an. Das ist eine Art aufrecht stehender Zither, die dank unter die Saiten gelegter Notenschablonen sehr leicht zu bedienen ist. Der Kurs ist zunächst für Angehörige gedacht, doch soll auch ein Versuch mit demenziell Erkrankten unternommen werden.
Gymnastik für Kopf und Körper
Einmal in der Woche soll es eine Veranstaltung unter dem Motto „Gymnastik fit – Gedächtnis fit“ in den Räumen der Awo geben. Dabei geht es nicht um Extremgymnastik, sondern darum, Beweglichkeit zu erhalten und eine Sturzprophylaxe zu erzielen. Zugleich soll der Kopf trainiert werden.