Isolation, Überlastung, wenig Hilfe: Eine neue, speziell auf den Rems-Murr-Kreis zugeschnittene App bringt digitale Unterstützung ins Wohnzimmer. Doch reicht das aus?
Zwischen Fachkräftemangel, steigenden Pflegekosten und der unsichtbaren Last, die pflegende Angehörige täglich schultern, hat eine Pflegekonferenz im Rems-Murr-Kreis unlängst ein Zeichen gesetzt: für mehr Austausch, mehr Unterstützung und für digitale Lösungen.
Wie das Landratsamt mitteilt, wurde bei der gemeinsam mit dem Sozialministerium ausgerichteten Regionalkonferenz im Bürgerhaus Kernen eine neue App vorgestellt, die pflegenden Angehörigen künftig den Alltag erleichtern soll.
Pflege: Angehörige leisten im Stillen Großes
Pflegekräfte fehlen, Heimplätze werden unbezahlbar – und mittendrin jene, die im Stillen Großes leisten: Angehörige, die zu Hause pflegen, oft rund um die Uhr, meist allein. Dass ihre Rolle in der Pflegelandschaft endlich mehr Gewicht bekommt, war eines der Ziele der Veranstaltung, die unter dem Motto „Sorgende Gemeinschaften, lebendige Quartiere“ stand.
„Pflege betrifft uns alle. Deshalb bündeln wir unsere Kräfte und schaffen Synergien, wo wir können“, betonte Landrat Richard Sigel in seiner Begrüßung. Der Landkreis setze bewusst auf langfristige und praxisnahe Ansätze: vom geplanten Pflegecampus in Winnenden bis hin zu modernen Wohnquartieren, in denen Pflege, Wohnen und Begegnung zusammenkommen sollen.
Die App ist ab sofort kostenlos verfügbar
Doch die vielleicht greifbarste Neuerung des Tages steckt in einem Smartphone-Symbol: Die App „in.kontakt“ – entwickelt vom Verein wir pflegen e.V., gefördert vom Bundesgesundheitsministerium und der Techniker Krankenkasse – wurde für den Rems-Murr-Kreis regionalisiert. Sie ist ab sofort kostenlos verfügbar.
„Endlich haben pflegende Angehörige bei uns eine digitale Plattform, die ihnen nicht nur Informationen, sondern auch echte Gemeinschaft bietet“, so Sigel. Die App ermögliche Austausch in sicheren Chat-Kanälen, persönliche Gespräche in privaten 1:1-Chats und biete Raum für Selbsthilfegruppen. Ein Werkzeug gegen die Isolation, die viele pflegende Angehörige zu erdrücken droht.
Unterstützung für pflegende Angehörige
Bereits bei der letztjährigen Pflegekonferenz war klar geworden: Neben dem Fachkräftemangel muss die Unterstützung pflegender Angehöriger ins Zentrum rücken. „Sie tragen unser Pflegesystem maßgeblich – oft unbemerkt, oft bis zur Erschöpfung“, sagte Natascha Bobleter, Geschäftsführerin der Diakoniestation Mittleres Murrtal, bei der Vorstellung der App.
Mit dabei waren auch Waltraud Bühl vom Kreisseniorenrat und Annalena Lindner vom Sozialministerium. Ihr gemeinsames Anliegen: Pflege so zu denken, dass sie in den Alltag der Menschen passt: in ihre Wohnzimmer, auf ihre Smartphones, in ihre Lebensrealität.
Wohnen, wo man sich begegnet
Neben der App stand ein weiterer Aspekt im Fokus der Konferenz: zukunftsfähige Quartiersentwicklung. Die Kreisbaugesellschaft präsentierte unter dem Titel „Vielfalt im Quartier“ Konzepte für altersgerechtes Wohnen, bei denen nicht nur bauliche, sondern auch soziale Strukturen mitgedacht werden. Begegnungsräume, Nahversorgung, barrierefreie Zugänge – all das soll ermöglichen, so lange wie möglich im gewohnten Umfeld zu leben.
Die Regionalkonferenz war mehr als ein Austausch unter Fachleuten. Sie war ein Signal: Pflege braucht neue Wege – digital, vernetzt, nah am Menschen. Mit der App „in.kontakt“ ist im Rems-Murr-Kreis ein solcher Weg eingeschlagen worden.
Der Erfolg wird sich daran messen lassen, ob es gelingt, pflegende Angehörige zu entlasten – nicht nur technisch, sondern auch emotional. Denn Pflege ist mehr als Versorgung. Sie ist Beziehung, Verantwortung, oft auch Verzweiflung. Und genau da will die neue App ansetzen: mit niedrigschwelliger Hilfe, verfügbar rund um die Uhr.
App für pflegende Angehörige
Informationen
Die App „in.kontakt“ ist kostenlos im App-Store erhältlich. Weitere Informationen gibt es unter: www.wir-pflegen.net