Mit strengen Augen begutachten die Richter (hinten) das Pferd. Foto: factum/Archiv

Wilhelm Hornauer, der Leiter des Veterinäramts in Böblingen, ist einer der Richter auf dem Leonberger Pferdemarkt. Er erklärt, was die Faszination des Traditionsfestes ausmacht und warum man bei Therapien immer häufiger auf Pferde setzt. 

Böblingen - Warum eigentlich schauen die Prüfer und Pferdehändler den Gäulen ins Maul? Wilhelm Hornauer schmunzelt, die Frage hat er schon öfters gehört. „Wir prüfen, ob die Altersangaben des Pferds einigermaßen stimmen.“ Wobei das durchaus eine Herausforderung sei. Junge Pferde bis zum fünften Lebensjahr könne man noch unterscheiden, dann werde es heikel. „Und ganz bescheiden muss ich zugeben: Die Pferdehändler können das auch viel besser.“

Da ist er aber wirklich sehr bescheiden. Hornauer, von barocker Gestalt mit gemütlichem bayerischen Akzent, sitzt in seinen Amtszimmern im Böblinger Landratsamt. Ein Tierdoktor wie geschaffen, wer die Kultserie „Alle meine Tiere“ aus den 60ern kennt, fühlt sich erinnert. Natürlich hat er Ahnung, und den Überblick. In Bayern ist er geboren. In den Veterinärämtern im Zollernalbkreis und in Sigmaringen hat er praktiziert – daher hat es Gewicht, wenn er sagt: „Nein, einen solchen Pferdemarkt wie in Leonberg oder Herrenberg kannte ich bisher nicht.“ Die Verbindung eines fachlichen Marktes mit einem Volksfest und einer langen Tradition – und das alles rund ums Pferd, das freut Hornauer. „Besonders gefällt mir, wie sich die ganze Stadt mit diesem Fest identifiziert.“

Seit Mai 2017 ist Hornauer nun in Böblingen, und damit quasi qua Amt auch Richter auf dem Pferdemarkt. In der Schlossstraße und im Reiterstadion prüfen und bewerten diese erlesenen und kundigen Damen und Herren die Tiere. Eine ganze Checkliste geht Hornauer dann durch, der sich vor allem auf die gesundheitlichen Aspekte konzentriert. „Ist das Pferd wach, hat es helle Augen, reagiert es aufmerksam oder schreckhaft? Das beobachten wir“, erklärt Hornauer. Auch die Stellung der Beine nimmt er unter die Lupe. Und eben die Altersuntersuchung im Maul. „Wobei der Zahnabrieb natürlich auch von der Nahrung abhängt, das macht es so schwierig“, erklärt der Tierarzt.

Stellung der Beine nimmt er unter die Lupe

Aber ist das Spektakel in Leonberg wirklich fachlich ernst zu nehmen, oder mehr Brauchtum? „Das Publikum ist natürlich heterogen“, sagt Hornauer. „Wer aber ein Pferd kaufen will, der hat nach der Untersuchung durch die Richter eine zusätzliche Sicherheit, dass die Angaben stimmen.“ Für die Richter ist das zwar Arbeit, Hornauer kommt aber gerne nach Leonberg. Besonders fasziniert ist der Amtsleiter von den Achtspännern vor einer Kutsche. „Dass sich das nicht verheddert – das ist eine tolle Leistung.“

Nicht nur, wenn im Februar Pferdemarkt ist, hat er in seinem Böblinger Veterinäramt mit den Gäulen zu tun. Rund 3500 Pferde in etwa 400 Ställen gibt es im Kreis Böblingen und die Beamten im Landratsamt sind auch für deren Wohlbefinden zuständig. Heute gibt es mehr Pferde als noch vor 100 Jahren, als die Vierbeiner als Arbeitstiere noch wirtschaftlich wichtig waren. „Pferde sind wichtige Sozialpartner“, erklärt Hornauer. Ein wunderbares Hobby, das er gerne empfiehlt. „Pferde bestärken die Persönlichkeitsentwicklung und fördern das Einfühlungsvermögen und das Verantwortungsgefühl.“

Bei Therapien werde zunehmend aufs Pferd gesetzt

Dabei gebe es einen Trend zu beobachten, sagt der Fachmann. Bei Therapien werde auch im Landkreis zunehmend aufs Pferd gesetzt. Hornauer weiß das, denn dann kommt sein Amt ins Spiel. „Der Therapeut muss bei uns eine Erlaubnis beantragen“, sagt er. „Wir prüfen dann, ob er sachkundig ist.“

Das aber ist nicht der einzige Berührungspunkt des Veterinäramts mit dem Pferd. Was viele nicht wissen: Hornauer und seine sieben Kolleginnen (die weiteren Tierärzte im Amt sind allesamt weiblich) sind gefragt, wenn Reiter ihre Tiere ins Ausland mitnehmen wollen, zum Beispiel auf internationale Turniere. Dann nehmen die Amtstierärzte den Gesundheitscheck vor – immerhin einmal in der Woche kommt das im Landkreis vor.

Und auch der Tierschutz gehört zu den amtlichen Aufgaben. „Wir schauen, dass die Besitzer ihre Tiere ordnungsgemäß halten, wie es das Gesetz vorschreibt“, sagt der Amtschef. Immer unangekündigt schauen sie in den Ställen vorbei, in der Regel dann, wenn in der Behörde ein Hinweis auf ein Fehlverhalten eingeht. Wenn sie eingreifen müssen, dann meist wegen mangelhafter Fütterung, unzureichender ärztlicher Versorgung oder zu wenig Pflege. Bei Pferden sei das aber unproblematisch, berichtet Hornauer. „Durch unsere jahrelange und beständige Arbeit ist die Pferdehaltung mittlerweile auf einem guten Niveau angekommen.“ Denn Pferdehalter seien Menschen, denen an einer korrekten Haltung gelegen ist. Das sieht man schon daran, dass beinahe jedes Pferd einen Namen hat – Namen, die dann auch bei der Prämierung der Richter am Leonberger Pferdemarkt zu hören sind.