Bei einem Spaziergang entdeckt Andreas Pfizenmaier aus Murrhardt zufällig eine Pferdeskulptur. Wir haken beim Landesdenkmalamt nach: Handelt es sich gar um Kunst aus der Antike?
Es geschieht an einem Sonntag Mitte September. Andreas Pfizenmaier macht mit einem Bekannten einen Nachmittagsspaziergang in der Nähe von Althütte (Rems-Murr-Kreis) und muss austreten. Auf der Suche nach einem geeigneten Plätzchen sieht er aus dem Augenwinkel einen ungewöhnlichen Stein, der seine Neugier weckt. „Er wurde halb von einem Stück Erde verdeckt“, erinnert sich der 52-Jährige. Als er es beiseite schiebt, erblickt er einen etwa 30 Zentimeter großen Pferdekopf. „Er war komplett sauber, als sei er vom Regen reingewaschen worden.“
Nicht eine Sekunde, sagt er, habe er daran gedacht, den Fund für sich zu behalten. „So etwas ist doch meldepflichtig“, sagt Pfizenmaier. „Und sollte die Skulptur echt sein, hätte sie ja auch einen großen ideellen Wert.“ Gesagt, getan. Der Murrhardter liefert den Pferdekopf beim Landesamt für Denkmalpflege ab.
Stammt die Figur gar von den alten Römern?
Die Mitarbeiter dort zeigen sich interessiert, sie lassen sich von Pfizenmaier die Fundstelle – sie liegt zwischen Althütte und Rudersberg – genau beschreiben und markieren sie in ihrem Computer. Obwohl der römische Grenzwall Limes einst unweit von dem Fundort verlief, ist die Örtlichkeit eigentlich nicht für besondere Entdeckungen bekannt. Ob Pfizenmaiers Fund daran etwas ändert?
Selbst die Fachleute beim Landesamt sind sich zunächst uneinig, in welche Zeit der Fund einzuordnen ist. Stammt er aus dem Mittelalter – oder gar aus der Antike? Auch Andreas Pfizenmaiers Neugierde ist geweckt, er beginnt zu recherchieren. Zum Beispiel zu dem Material, aus dem die Büste gefertigt ist. „Ich habe gleich gemerkt, dass sie nicht in Naturstein gemeißelt worden ist.“ Stattdessen handelt es sich um einen Guss. Tatsächlich hatten die alten Römer schon „opus caementicium“ – der Vorläufer des heutigen Zements war sogar haltbarer als sein modernes Äquivalent.
Und auch zu den auffälligen, scheibenförmigen Gebilden an den Seiten des Pferdekopfs hat Pfizenmaier eine Vermutung: „Die Römer benutzten sogenannte Phalarae.“ Diese Zierscheiben sahen nicht nur attraktiv aus, sondern verbanden auch die Riemen des Zaumzeugs miteinander – und wurden sogar von Soldaten als Auszeichnungen auf der Brust getragen.
Doch allzu lange währt die Hoffnung, antike Kunst gefunden zu haben, leider doch nicht. Nach genauerer Begutachtung kommt das ernüchternde Fazit des Denkmalamts: „Aufgrund der Machart aus Steinguss scheint es ein modernes Stück zu sein“, erklärt uns ein Sprecher des Regierungspräsidiums. „Wahrscheinlich handelt es sich um Gartendekoration.“
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Ernüchterndes Urteil – aber auch Lob vom Präsidium
Kein opus caementicium, kein antiker Schatz. Andreas Pfizenmaier ist von der Nachricht natürlich ernüchtert. Römerkunst in Althütte, das wäre doch etwas gewesen. Immerhin bekommt er vom Sprecher des Präsidiums Lob: „Der Finder hat vorbildlich gehandelt und ist seiner Fundanzeigenpflicht nachgekommen.“
Antik oder nicht: Hinter der steinernen Pferdebüste steckt bestimmt eine interessante Geschichte. Wie kommt die Skulptur auf den Acker bei Althütte? Hat sich jemand einen Scherz erlaubt – oder befand sich unterhalb der Haube vor einiger Zeit vielleicht ein Gartengrundstück? Wer Informationen zu der steinernen Figur hat, kann sich gerne per Mail unter rems-murr-fellbach@stzn.de bei unserer Rems-Murr-Redaktion melden.
Fund gemacht – was nun?
Meldepflicht
Wer Gegenstände entdeckt, bei denen ein öffentliches Interesse an der Erhaltung aus wissenschaftlichen, künstlerischen oder heimatgeschichtlichen Gründen besteht, muss dies laut Denkmalschutzgesetz unverzüglich der zuständigen Denkmalschutzbehörde oder der Gemeinde melden. Fund und Fundstelle sollten bis zum Ablauf des vierten Werktages nach der Anzeige unverändert bleiben. Das Landesamt für Denkmalpflege ist unter abteilung8@rps.bwl.de erreichbar.
Wem gehört’s?
Manche archäologische Funde werden laut Gesetz zu gleichen Teilen Eigentum des Finders und des Eigentümers des Grundstücks, auf welchem der Fund gemacht wurde. Bei Funden von besonderer Bedeutung gilt allerdings das sogenannte Schatzregal – dann wird das Land Baden-Württemberg Eigentümer. Dies soll die Gegenstände für die Forschung und die Öffentlichkeit erhalten. „Das Land kann dann in Ausnahmefällen eine Fundprämie für rechtstreues Verhalten bezahlen“, erklärt der RP-Sprecher.
Dieser Artikel erschien erstmals am 1. Oktober 2025 und wurde am 13. Oktober aktualisiert.