Acht Jahre war Georg Amann im Stuttgarter Norden. Foto: Heinz Heiss

Georg Amann, Pfarrer der Martinskirche, nimmt Abschied von seiner Gemeinde. Ihn zieht es in die deutsche evangelische Gemeinde nach London.

S-Nord - You better get used to it“ – Daran gewöhnen Sie sich besser – sagte eine Dame, nachdem sie Georg Amann ungefragt Milch in dessen Tee gekippt hat. Ein passionierter Teetrinker sei er ja schon, sagt Amann, als er sich an seinen ersten Besuch in der deutschen evangelischen Gemeinde in London erinnert: „Das hat man dort auch mit Wohlgefallen wahrgenommen.“ Aber das mit der Milch, da müsse er sich noch dran gewöhnen.

Ab September wird er dazu sechs Jahre Zeit haben, wenn er seinen Dienst als Pfarrer in London-West antritt. Alle sechs bis acht Jahre entsendet die Evangelische Kirche in Deutschland einen Pfarrer nach London. Nach seiner Bewerbung ist er zusammen mit anderen nach England gegangen, um Gottesdienste zu halten und die Gemeindemitglieder kennenzulernen. Diese haben daraufhin abgestimmt und sich für den Stuttgarter entschieden.

Amann freut sich auf die Herausforderung

Jetzt ist Georg Amann am Verschenken, Einlagern und Ausmisten. Das meiste von seinem Hab und Gut wird erst einmal in einem Container in Deutschland bleiben müssen. Denn das Pfarrhaus in Barnes, in das er mit seinem Partner ziehen wird, ist noch nicht fertiggestellt.

Amann freut sich auf die neue Herausforderung, auch wenn ihm der Abschied schwer fallen wird. Acht Jahre war er in der Martinskirche in der Nordgemeinde tätig. Pfarrer zu sein sei nicht nur eine Profession. „Man knüpft Beziehungen in der Gemeinde, man ist Ansprechpartner, Seelsorger“, sagt er. „Da muss man richtig Abschiednehmen, das wird für beide Seiten sehr schwer werden.“ In der Martinskirche hat Amann tief greifende Veränderungen begleitet. Als er dort anfing, war gerade die Kirche umgebaut worden. Die Kirche wurde zum funktionalen Raum mit Licht- und Veranstaltungstechnik, so dass sie vor allem für die Jugendkirche verwendet werden kann. Auch die Struktur der Gemeindemitglieder habe sich im Laufe der Jahre verändert. „Früher war das Nordbahnhofviertel ein sehr geschlossenes Quartier. Hier wohnten vor allem Eisenbahner und solche, die bei der Post arbeiteten“, sagt er. Die evangelische Gemeinde sei heute kleiner geworden, die Bevölkerung interkultureller und interreligiös.

Kooperationen mit anderen Kulturen

Es war eine Entwicklung, die Georg Amanns Arbeit stark prägte. So wurde aus dem Gottesdienstbesuch bei der Einschulung ein interreligiöses Fest, bei dem ein evangelischer, ein katholischer und ein muslimischer Kollege direkt in die Schule gehen. Die eigene Position zwar zu wahren, und gleichzeitig Kooperationen mit anderen Kulturen und Religionen zu suchen, waren und sind Amann ein Anliegen.

Vielfältig wird auch seine Gemeinde in London sein. „Dort treffen die unterschiedlichsten Lebensgeschichten aufeinander“, sagt er. Es gibt Gemeindemitglieder, deren Eltern noch vor dem Zweiten Weltkrieg nach England geflüchtet sind, oder solche, die in der Metropole in großen Firmen arbeiten. Für all jene wird er eine Art Heimatvermittler sein. „Die Leute wissen es sehr zu schätzen, dass es einen Ort gibt, an dem das Vaterunser auf deutsch gebetet wird“, sagt er. Die in England geborenen Kinder können ihre Wurzeln und Traditionen kennenlernen. Trotzdem will man keine „geschlossene Insel sein“, betont Amann. Auch Gottesdienste mit der anglikanischen Kirche, deren Räume man mitbenutze, seien üblich. Dafür will er noch an seinem Englisch feilen, auch wenn er gerne englische Originalausgaben liest. „Die Dialekte gehen aber doch weit auseinander“, sagt er. Hier die in Eton geschulte Sprache, dort das Londoner Cockney – „und irgendwo dazwischen mein süddeutsch gefärbtes Englisch“, sagt er und lacht.