Pfarrer Hartmut Mildenberger möchte Anlässe schaffen, damit die Menschen wieder mehr in die Kirche gehen. Foto: Waltraud Daniela Engel

Ist der Glaube in der Gesellschaft verloren gegangen? Ein Interview mit Pfarrer Hartmut Mildenberger aus Stuttgart-Sonnenberg.

Sonnenberg - Kurz vor Weihnachten stellt sich die Frage, welche Rolle der Glauben noch in der heutigen Gesellschaft spielt. War der sonntägliche Kirchgang vor nicht einmal hundert Jahren ein fester Bestandteil im Alltag, nehmen viele die Institution Kirche nur noch an Festtagen wahr. Im Interview erklärt Pfarrer Hartmut Mildenberger von der evangelischen Kirchengemeinde Sonnenberg, welche Bedeutung Weihnachten hat und warum seiner Meinung nach der Glaube an sich nicht verloren, sondern nur verdeckt ist.

Morgen ist Heiligabend. An diesem Tag füllen sich die Gotteshäuser. Sonst werden sie übers Jahr immer leerer. Wie beurteilen Sie das?
Ich denke, viele brauchen einfach einen Anlass in die Kirche zu gehen. Leider ist es verloren gegangen, dass der sonntägliche Kirchgang zum Wochenrhythmus dazu gehört. Bei besonderen Gelegenheiten, wie Weihnachten, der Taufe oder auch der Goldenen Konfirmation kommen die Menschen ja in die Kirche.
Sind Menschen denn heutzutage weniger religiös?
Das müssen Sie die Menschen fragen. Ich glaube, dass das Religiöse nur verdeckt ist und sich immer wieder Bahn bricht. Wenn es uns gut geht, neigen wir dazu, Gott zu vergessen. Aber wenn ein Krieg oder eine Katastrophe über uns hereinbricht, beten viele Menschen wieder in der Kirche.
Müssen Gottesdienste anders gestaltet werden, damit mehr Menschen kommen?
Ich denke, eine gewisse Kontinuität ist wichtig, deshalb müssen die Gottesdienste nicht grundsätzlich anders gestaltet werden. Aber dann sollten wir immer wieder besondere Akzente und Anlässe setzen und liebevoll und ansprechend gestalten.
2017 ist das Lutherjahr. Glauben Sie, dass die gesteigerte Medienpräsenz der Kirchen wieder zu mehr Besuchern führt - also Anlässe schafft?
Auf jeden Fall. Das Interesse ist jetzt schon sehr groß. In der Gemeinde in Sonnenberg ist man auch historisch sehr interessiert. Es wird viel gefragt, was inhaltlich hinter der Reformation steckt. Als Theologe kann ich sagen, dass die Reformation das Evangelium wiederentdeckt hat; dass Gott die Menschen bedingungslos und vorbehaltlos annimmt – ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Das ist eine absolut notwendige Botschaft heutzutage in dieser anspruchsvollen und leistungsorientierten Zeit.
Abschließend noch mal kurz zurück zu Weihnachten. Wie verbringen Sie den morgigen Heiligen Abend?
Wir feiern ganz traditionell mit der Familie. Mein Sohn kommt extra aus Köln. Nach den Gottesdiensten, die feiern zu dürfen ich mich übrigens sehr freue, wird zu Hause gegessen. Wir singen gemeinsam Weihnachtslieder und lesen die Weihnachtsgeschichte. Und es gibt auch bei uns ein paar Geschenke.