Rektorin der Kunstakademie Stuttgart: Petra von Olschowski Foto: Martin Lutz

An diesem Freitag um 18 Uhr wird der viertägige Rundgang der Kunstakademie Stuttgart eröffnet. Studierende aller Fächer stellen ihre Werke vor. Im Interview skizziert Rektorin Petra von Olschowski aktuelle Anlässe zur Freude und zur Sorge auf dem Weißenhof.

An diesem Freitag um 18 Uhr wird der viertägige Rundgang der Kunstakademie Stuttgart eröffnet. Studierende aller Fächer stellen ihre Werke vor. Im Interview skizziert Rektorin Petra von Olschowski aktuelle Anlässe zur Freude und zur Sorge auf dem Weißenhof.

Stuttgart - Frau von Olschowski, wie kommt der Strukturwandel an der Kunstakademie voran?
Im Moment steht die Umstellung auf Bachelor und Master im Studiengang Künstlerisches Lehramt an. Die Reaktion der Studierenden darauf ist sehr unterschiedlich: Manche sehen darin eine Chance, die insbesondere mit der internationalen Geltung der Abschlüsse zusammenhängt, andere fürchten extreme Reglementierungen und eine stärker verschulte Praxis. Wir versuchen, trotz der Umstellung auf eine neue Studienstruktur die größtmögliche Freiheit im Studium zu erhalten. Deshalb bleiben wir auch in den Bereichen Freie Kunst und Design noch beim Diplom.
Sie haben in Ihrer bisherigen Amtszeit versucht, Schnittstellen zu besetzen. Welche sind das genau?
Es ist uns gelungen, an einigen wichtigen Stellen großartige neue Kolleginnen und Kollegen zu gewinnen: Barbara Bader aus der Schweiz im Bereich Fachdidaktik Kunst, Patrick Thomas aus London im Kommunikationsdesign, die Leipzigerin Ricarda Roggan in der neu geschaffenen Klasse für Fotografie. Das Stuttgarter Team Mona Mahall und Asli Serbest arbeitet auch noch im nächsten Jahr mit den Erstsemestern in Architektur und Design. Auch Johannes Gfeller im Master-Studiengang Konservierung Neuer Medien ist zu nennen. Ich würde da vielleicht nicht von Schnittstellen sprechen, aber es sind schon wichtige Positionen im Rahmen des Ganzen und geben dem Haus noch mal eine neue Ausrichtung.
Und wie werden diese neuen Professuren angenommen?
Die Impulse, die von ihnen ausgehen, waren schnell spürbar. Die Studierenden schätzen die neuen Zugänge zur Arbeit, und da es sich bei allen nicht nur um interessante Künstler oder Wissenschaftler handelt, sondern auch um tolle, offene, freundliche Kollegen, tun sie dem gesamten Haus gut.
Gibt es auch eine überregionale Reaktion?
Aktuell insbesondere auf die Arbeit von Patrick Thomas, dessen Klasse gerade eine schöne Ausstellung im Stattbad Wedding in Berlin hatte. Die Eröffnung war ein herrliches Fest. Einige Arbeiten aus diesem Kontext sind jetzt auch während des Akademie-Rundgangs zu sehen.
Stuttgart hatte immer ein starkes Gewicht auf Architektur und Kommunikationsdesign. Das wiederum bot der bildenden Kunst mehr Freiheiten als gedacht. Aktuell scheinen die Linien nicht mehr so klar – zuungunsten vielleicht gar der „Ranking“-Fächer wie Architektur?
Die Architektur steht in den Rankings weiterhin ganz oben. Zu Recht. Und doch arbeiten wir immer weiter daran, die Studienqualität – bei sehr schwierigen finanziellen Umständen – weiterzuentwickeln. Auch das Kommunikationsdesign ist natürlich weiterhin ein Aushängeschild für uns. Zugleich sehe ich die Linien aber anders als Sie: Kernstück einer Kunstakademie ist immer die Kunst. Davon geht alles aus. Und wenn Sie sich die Palette anschauen, sieht man sofort, dass wir nicht nur spannende Vielfalt, sondern eben auch hohe Qualität im Haus haben. Wir haben allerdings das große Glück, und das sehe ich wirklich so, dass wir erfolgreiche, international anerkannte weitere Bereiche haben – etwa in der Restaurierung, im Industrie- oder Textildesign. Das ist es, was hier so viel Spaß macht.
Wandel braucht immer auch politische Unterstützung. Haben Sie diese?
Leider steht die Finanzierung der Hochschulen, die Verhandlungen über den Solidarpakt, zur Zeit im Vordergrund. Die bundesweit beschlossene „Schuldenbremse“ macht es uns allen schwierig, Wandel nicht nur zu denken, sondern auch zu realisieren. Wir brauchen auf jeden Fall mehr Unterstützung, um wenigstens die üblichen Kostensteigerungen abfangen zu können. Das reicht aber nicht. Raum, Personal, finanzielle Ausstattung – hier brauchen wir dringend mehr Hilfe, nur um einen gewissen Status quo zu erhalten. Der Wettbewerb unter den Hochschulen ist auch bei den Kunstakademien mittlerweile längst ein internationaler geworden. Und da sollte Stuttgart auch mitspielen.
Was sind Ihre nächsten Schritte?
Im Moment gibt das Ministerium einige Themen vor: Die Lehramtsumstellung soll in einem außerordentlich knappen Zeitraum realisiert werden. In diesem Kontext arbeiten wir intensiv daran, die Gelegenheit zu nutzen und das aktuelle Studienprogramm sinnvoll zu überarbeiten. Daran hängt auch die Frage, wie wir den bundesweit einmaligen und anerkannten Studiengang Intermediales Gestalten weiterentwickeln. Da sehen wir neue Möglichkeiten, und ich wünsche mir sehr, dass wir die Möglichkeiten, die dieses Fach bietet, noch mehr nutzen. Parallel dazu wird die Finanzierung das große Thema des nächsten Jahres sein. Leider. Vor allem wollen wir die Qualität des Beginnens weiter steigern. Man merkt eben leider, dass die künstlerischen Fächer an unseren Schulen nicht immer die Bedeutung spielen, die wir uns wünschen würden. Es gibt einiges an Nachholarbeit im Sinne einer allgemeinen kulturellen Bildung zu leisten. Und wir wünschen uns eben, starke, gebildete, selbstbewusste Künstlerpersönlichkeiten zu fördern.
Zuvor aber sind von diesem Freitag an vier Tage lang die Akademietüren allesamt weit offen. Rundgang – was heißt das eigentlich im heutigen Ereignisreigen?
Der Rundgang ist jedes Jahr immer noch etwas Besonderes: der Höhepunkt unseres Jahres und damit in seinem Charakter einmalig. Diese Atmosphäre gibt es in keiner anderen Ausstellung. Ich freue mich wieder sehr darauf.