Peter Pätzold (Grüne) will Bau- und Umweltbürgermeister werden Foto: Martin Stollberg

Peter Pätzold (46) ist der bisher einzige Bewerber um den Posten des Stuttgarter Städtebau- und Umweltbürgermeisters. Im Interview verteidigt der Grüne seine Bewerbung gegen Kritik wegen Parteienwirtschaft.

Stuttgart - Herr Pätzold, den Grünen wurde vorgeworfen, sie wollten unbedingt jemand mit Parteibuch und aus der Ratsfraktion auf einen lukrativen Posten hieven, statt bundesweit den Besten zu suchen. Das verstehen Sie vermutlich nicht?
Richtig. Klar ist doch, dass die Fraktion bei dieser Wahl im Rathaus das Vorschlagsrecht hat und dass dies auch ein politisches Amt ist und nicht nur ein Fachamt. Von den zwei Interessenten in der Fraktion habe ich das deutliche Votum bekommen, mich zu bewerben. Das endgültige Votum wird die grüne Fraktion nach dem Ausschreibungsverfahren abgeben, wenn man alle Bewerbungen kennt. Sie wird sicher jemand aus den Reihen der Grünen vorschlagen. Genauso sind die Bürgermeisterstellen von anderen Parteien bisher auch besetzt worden, und da hat sich niemand aufgeregt.
Worauf stützt sich diese Praxis?
Laut Gemeindeordnung sollen diese Stellen nach dem Wählerwillen, der sich aus den Kommunalwahlergebnissen ergibt, besetzt sein. Daher hat unsere Partei schon seit zehn Jahren Anspruch auf einen zweiten Posten.
Was ist mit der Forderung nach einem Bürgermeister von außen? Immerhin beklagt man zurzeit Bausünden, für die ein OB und Bürgermeister aus Stuttgart Verantwortung hatten.
Nicht zu vergessen der Gemeinderat. Wir haben natürlich wie jede Stadt Ecken mit Verbesserungsbedarf. Wir haben auch schreckliche Architektur hier. Manches ist einem gewissen Zeitgeist geschuldet, in dem man vor zehn Jahren einen Bebauungsplan beschlossen hat. Ich sage nur A1-Gebiet im Europaviertel. Im Ganzen betrachtet ist Stuttgart aber eine schöne Stadt. Und Bürgermeister von außen sind keine Garantie, dass Bausünden vermieden werden.
Ist dies überhaupt das Missverständnis in der Debatte? Die Annahme, dass ein Einzelner im Alleingang Wunder bewirken könnte?
Ich habe tatsächlich den Eindruck, dass man sich so eine Art Heilsgestalt erhofft. Aber jedes Gebäude, das hier steht, hat einen Bauherrn und einen Architekten. Jeder Bebauungsplan geht durch den Gemeinderat. Und dann gibt es natürlich noch eine Verwaltung und Investoren, die auch Interessen haben. Kurzum: Stadtplanung und Stadtentwicklung sind ein gemeinsames Projekt der ganzen Stadtgesellschaft. Man muss es daher wieder schaffen, ein gemeinsames Verständnis von guter Stadtplanung hinzubekommen.
Wie kriegt man das hin?
Ich glaube, der Diskurs, was Stadtplanung ist, fängt gerade an. Insbesondere muss man mit Architekten, Städtebauern und Landschaftsplanern diskutieren, was Qualität ist. Das wird ein längerer Prozess sein. Wir haben ja bei vielen Gebäuden, die als schrecklich gelten, Planungswettbewerbe gemacht. Auch die Einkaufszentren Gerber und Milaneo sind Ergebnisse von Wettbewerben. Künftig sollte man rechtzeitig klären, wie die Stadt aussehen soll, danach den Wettbewerb machen. Die Vorgaben dafür müssen stimmen.
Und was ist die Rolle des Baubürgermeisters?
Er allein entwirft nicht die Stadt. Er ist jemand, der vermitteln und zwischen verschiedenen Ebenen kommunizieren muss, der eher kommunalpolitischer Projektentwickler sein muss und nicht Entwerfer. Daher sollte er die Verhältnisse in Stuttgart, den OB, die anderen Bürgermeister, den Gemeinderat und vor allem die Bürgergesellschaft am Ort kennen. Zwischen all diesen gibt es ein Spannungsfeld, in dem die Kommunikation stattfinden muss.
Er muss aber auch Maximen, Ziele und Prioritäten haben. Womit möchten Sie im Fall Ihrer Wahl in die neue Tätigkeit starten?
Ich glaube, wir müssen den Blick verstärkt auf die einzelnen Stadtquartiere und Stadtviertel richten. Die Bürgerinnen und Bürger wohnen gefühlsmäßig vor allem in ihren Vierteln. Dort sind auch die Probleme, für die sie sich direkt interessieren. Etwa für den öffentlichen Raum oder die gefährdete Nahversorgung. Die Frage muss sein, was macht das neue Gebäude mit dem dortigen Quartier. Und es gibt natürlich verschiedene Themen, die ich seit zehn, elf Jahren als Stadtrat bearbeite und bei denen ich in der Umsetzung weiterkommen will.
Welche Themen sind das?
Das ist die Energiewende, verbunden mit den Stadtwerken. Das ist das Thema, wie man stadtklimatologisch auf die Klimaerwärmung reagiert. Wenn man in der Innenstadt wegen Hitzestresses eines Tages nicht mehr leben könnte, würden wir viele Immobilien entwerten. Da sind auch die Themen nachhaltiger Verkehr sowie Wohnen und Nachverdichtung. Sehr schwierig, denn auf der einen Seite möchte man ein gutes Stadtklima erhalten, auf der anderen Seite eine Nachverdichtung mit zusätzlichen Wohnungen. Da braucht man eine sorgfältige Abwägung und Diskussion mit den Leuten vor Ort.
Was ist mit den Einwänden, es fehle an hervorragenden neuen Gebäuden, die die Stadt aufwerten und Besucher anlocken?
Wesentlich wichtiger ist, dass wir eine gestalterisch qualitätsvolle Alltagsarchitektur hinbekommen. Wir haben viele Gebäude, die nach außen strahlen, etwa das Kunstmuseum, die Bibliothek, die Staatsgalerie, das Institut für leichte Flächentragwerke. Aber man kann Stadt nicht gestalten, indem man lauter Leuchtturmbauwerke hinstellt. Die wirken auch erst, wenn dazwischen ganz normale, gut gestaltete Architektur stattfindet. Wenn wir im Neckarpark ein Stück gute architektonische Alltagskultur schaffen können, dann kommen die Besucher auch.
Deswegen sollte man doch nicht darauf verzichten, neue attraktive Solitäre zu platzieren.
Das ist richtig. Aber dafür braucht es die Nutzung. Der Neubau des Linden-Museums könnte ein Sonderbaustein in der Stadt werden. Das steht aber ziemlich weit hinten. Erst haben wir viele Kulturbauten zu sanieren. Wer gewählt wird, muss übrigens sofort ins Wasser springen und die Etatberatungen mitgestalten.
Sie wollen ja auch Umweltbürgermeister werden. Würden Sie als Grüner Eidechsen schützen, den Autoverkehr behindern und noch mehr Radwege bauen, die kropfunnötig sind?
Ich bin bisher noch auf keinem kropfunnötigen Radweg gefahren. Beim Artenschutz gibt es Gesetze und klare Vorschriften und wenig Spielraum. Und Radwege wie die in Cannstatt, die so kritisiert wurden, sind vom Gemeinderat beschlossen worden. Ich stehe für Abwägung und tragbare Kompromisse. Manchmal werde ich übrigens gefragt, wie ich es mit dem Auto halte. Ja, ich besitze eines und fahre gelegentlich auch damit.
Ärger in diesem Job ist programmiert. Warum wollen Sie ihn trotzdem haben?
Stuttgart ist seit längerem meine Heimatstadt. Ich mache wahnsinnig gern Kommunalpolitik, weil man direkt vor Ort etwas gestalten und verändern kann. Jetzt habe ich die Chance, genau jene Felder verantwortlich anzupacken und zur Umsetzung zu bringen, die ich als Stadtrat für die Grünen zehn Jahre lang leidenschaftlich bearbeitet habe. Und die Materie überschneidet sich noch mit meinem Beruf als Architekt. Diese Chance würde ich gern wahrnehmen.