Otto Schily und Peter O. Chotjewitz (v. li.) im Oktober 1977 Foto: Ullstein

Der Schriftsteller Peter O. Chotjewitz wäre an diesem Samstag 80 Jahre alt geworden. Zuletzt lebte er in Stuttgart. Trotz seines Krebsleidens war er aktiv und unbeugsam bis zum Schluss.

Stuttgart - Fleißig und begeisterungsfähig war Peter O. Chotjewitz bis zuletzt: Am 30. November 2010, also kurz vor seinem Tod am 15. Dezember, eröffnete er im Literaturhaus eine Ausstellung mit Gemälden seiner Frau Cordula Güdemann. Und wenige Tage vor der Ausstellungseröffnung nahm er sich auch noch Zeit für ein ausgiebiges Interview mit den Stuttgarter Nachrichten.

Stimmlich geschwächt, auch sonst von der Krebskrankheit schon sehr gezeichnet, warb er dennoch intensiv für das gemeinsame Projekt „49 VIPs“ mit seiner Frau. An diesem Samstag wäre Chotjewitz 80 Jahre alt geworden.

Der Tod spielte – natürlich – auch in diesem Gespräch eine Rolle: „Auf die Idee mit dem Kometen kam ich, als der Regisseur Christoph Schlingensief kurz vor seinem Tod sagte, dass er am Himmel als Sternschnuppe weiterleben werde. Diese Vorstellung fand ich etwas merkwürdig. Aber das ist auch als Gegensatz gedacht, denn was man ja eigentlich von seinem Leben hinterlässt, ist der Schutt in der Höhle. In diesem Schutt suchen ja auch die Biografen nach den Verstorbenen.“

Mit dem Kometen meinte er eines seiner kurzzeiligen Gedichte, so genannte Haikus, die er zu diesem Projekt verfasste, das lautete: „Letzter Wille. Such nicht nach mir, wenn der Komet seine Bahn zieht im Schutt der Höhle“. Die Todesahnung war also schon konkret, gab er doch 2010 noch den vierten und letzten Band seiner „Fast letzten Erzählungen“ heraus, zumal er die Frage, ob dies seine letzte Veröffentlichung sein werde, mit dem Satz beantwortete: „Nein, hoffentlich nicht.“

Doch viel lieber und mit zunehmendem Grinsen im Gesicht trug er Gedichte von sich vor wie „Für Freddy Quinn. Suche Deinen Namen im Sand der Wüste. Wenn Du nicht weißt, wer Du bist“ oder „Dialogus tractaticus. Früher begann der Tag mit einer Schnapsleiche. Du wirst alt, Junge.“ Da war er wieder, der knitze Zyniker, der genaue Beobachter des Alltags, der all dies zuzuspitzen verstand, der auch hinter die Dinge schaute und seine Schlussfolgerungen daraus nach vorne stellte. Und einer, der aus seinen politisch links angesiedelten Ansichten kein Hehl machte.

Was ist ihm etwa von 1958 in Erinnerung geblieben? – Dass die ersten Ostermärsche stattfanden und dass Elvis Presley zur Armee ging. Und dabei zu Chotjewitz Entsetzen und dem seiner jugendlichen Altersgenossen nicht „Tutti frutti“ sang, sondern „Muss i denn . . .“, schrieb er in der Erzählung „Das Wespennest“. Wie akribisch er arbeitete, zeigt er in seinem 2007 erschienenen Buch „Mein Freund Klaus“. Ganz intensiv ging er da auf Spurensuche des einstigen RAF-Anwalts und späteren Stasi-Mitarbeiters Klaus Croissant, unter anderem in Nürtingen und Kirchheim/Teck. Zeitgeschichte und sehr persönliche Beobachtungen wirbeln da munter durcheinander.

Die Rote-Armee-Fraktion war für Chotjewitz ebenso ein wichtiges Kapitel, war er doch bis zum Suizid von Andreas Baader im Oktober 1977 dessen Wahlverteidiger. Schon zuvor hatte er im Dezember 1969 Baader und Gudrun Ensslin Unterschlupf gewährt in seiner Wohnung in Rom, als diese auf der Flucht nach ihrem Gefängnisausbruch waren. Und Rom war ein weiteres wichtiges Kapitel, lebte er doch dort von 1967 bis 1973, zunächst mit einem Stipendium der Villa Massimo. Stuttgart spielte seit 1995 für ihn eine wichtige Rolle, seitdem hatte seine Frau hier eine Kunstprofessur übernommen.

Geboren wurde Chotjewitz am 14. Juni 1934 in Berlin, 1945 zog die Familie in die nordhessische Provinz. Als Anstreichergeselle holte er auf einem Abendgymnasium das Abitur nach, von 1955 an studierte er Rechtswissenschaften, und von 1965 an lebte er als freier Schriftsteller.