Peter Kraus trägt die alten Hits noch immer mit Spaß an der Sache vor. Foto: Vincenzo Mancuso

Die wilden Lieder von Elvis und Little Richard sanfter und auf Deutsch? Peter Kraus konnte das in den 50er Jahren liefern. Und er steht noch immer auf der Bühne: Am 18. März 2019 wird er 80 Jahre alt.

Stuttgart - Hat da eine digital hochgerüstete Verschwörertruppe in Archiven Film- und Tonaufnahmen ausgetauscht und hartes historisches Material durch weichgespülte Fälschungen ersetzt? War dieser Peter Kraus, den man in alten Spielfilmen und auf alten Platten tanzen sehen und singen hören kann, wirklich mal ein Bürgerschreck? Ein Vorbote des Untergangs der abendländischen Kultur?

Ja und nein: 1956, als die Karriere von Peter Kraus mit der deutschsprachigen Variante des Rock 'n' Roll-Hits „Tutti Frutti“ durchstartete, gab es tatsächlich Erschrockene und Wütende. Kulturschützer, die Peter Kraus’ Musik für ein Warnzeichen hielten, dass eine vermeintlich enthemmte, aggressive „Negermusik“ eine so bösartige Infektionsmacht besaß, dass sie auch anständige deutsche – beziehungsweise österreichische – Jungs befallen konnte.

Spaß und Konterrevolution

Aber es gab am anderen Ende des Spektrums auch jene, die sich erst mit Peter Kraus’ Musik – mit „Sugar Baby“, mit „Teenager Melodie“, mit „Mach Dich schön“ – auf die neuen Klänge einlassen konnten: in bekömmlicher Verdünnung. Und einige hielten Peter Kraus auch für die reaktionäre Konterrevolution zur wilden Rock 'n' Roll-Rebellion, für einen, der versuchte, das Wilde in den spießbürgerlichen Mief zu zerren und dort zu ersticken.

Dabei wollte der am 18. März vor 80 Jahren in München Geborene einfach nur Spaß haben. Als Sohn des österreichischen Regisseurs und Kabarettisten Fred Kraus bekam er früh Kontakt zur Filmwelt, trat schon 1954 in der Kästner-Verfilmung „Das fliegende Klassenzimmer“ auf. Die Musik aus Amerika war ein Hobby, bis ihn der Produzent Gerhard Mendelson entdeckte.

Bohnerwachs und Tanzschule

Bei Little Richard und Jerry Lee Lewis ging auf den Schallplatten die Einrichtung einer bürgerlichen Welt zu Bruch, da flogen die Möbelsplitter, bei Elvis lagen gegen Ende eines Single-Abspiels vorm inneren Auge benutzte Kondome umher. Bei Peter Kraus’ Aufnahmen glänzte immer nur das Bohnerwachs, man sieht junge Männer vor sich, die vor jeder Schwelle brav die Füße abtreten.

Der Hüftschwung von Peter Kraus in seinen Filmen mit Leinwandpartnerin Conny Froboess wirkt ganz anders als der von Elvis. Er ist keine sexuelle Provokation, er ist eine Tanzschulbewegung. Wer darüber spottet, tut ihm Unrecht. Dieser blonde, gutgewachsene, grundanständige Rock 'n' Roll-Schwiegersohn war das, was damals viele Deutsche als Brücke zwischen den Epochen brauchten. Er sah aus wie einem Propagandaplakat der Hitlerjugend entsprungen, nur eben ohne Uniform am Leib, ohne Führergelöbnis auf den Lippen, ohne ideologische Verblendung im Kopf. Seine Hüftbewegung schien den Kameras und Zuschauern zu signalisieren: Schaut her, ich trage kein Koppel.

Absage an den Ungeist

Mit Kraus trat das, was gestern der gruselige Herzeigearier einer bösartigen Hetz- und Lügenmaschine gewesen wäre, als zivile Lichtgestalt hervor. Kraus’ Freundlichkeit, Nettigkeit, ja Arglosigkeit, darf man nicht mit dem Blick aus dem Heute als Absage an den wilden Geist des Rock’n’Roll tadeln. Sie bildete die Absage an einen ganz anderen Ungeist, und wer dafür Antennen hatte, muss das sehr genossen haben.

Kraus’ Musik war stets kantenfrei, aber dass er ihr bis heute treu blieb und jetzt wieder auf Tournee ist – im Herbst wird er in Stuttgart gastieren – , ist mehr als sture Nostalgie. Kraus ist Jahr um Jahr mehr Aufmüpfiges zugewachsen, und mit 80 ist er nun ein Rebell: Er lässt sich nicht vorschreiben, irgendwann müsse man die Träume und Freuden der Jugend allesamt aufgeben.