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Die europäische Jazzwelt verliert mit Peter Herbolzheimer einen herausragenden Orchesterchef.

Stuttgart - Nur wenige Tage nach dem Tod von Erwin Lehn erreicht uns die Nachricht vom Tod eines anderen großen Big-Band-Leiters: Peter Herbolzheimer ist, wie seine Frau Gisela mitteilt, am Samstagnachmittag nach inneren Blutungen in einem Kölner Krankenhaus gestorben. Die europäische Jazzwelt verliert mit ihm einen herausragenden Orchesterchef, Arrangeur, Musikpädagogen und Komponisten, der sich auf Augenhöhe mit den Größten der Zunft befand.

Benny Goodman etwa schrieb ihm 1986 kurz vor seinem Tod, wie sehr er ihn als Mensch und seine Musik schätze, US-Kollegen wie Sammy Nestico oder Bob Mintzer waren ebenfalls voll des Lobes. Strahlende Lebensfreude, klares analytisches Denken, eine nie versiegende Quelle musikalischer Ideen, ein fantastisches Gefühl für Sounds, Bescheidenheit und Freundlichkeit im Umgang - das waren Qualitäten dieses großartigen Menschen, den sie seiner Körperfülle wegen "Mr. Kugelbauch" nannten.

Herbolzheimer hat viele junge, hochbegabte Musiker auf ihren Beruf vorbereitet, ihnen seit 1987 im Bundesjazzorchester ein hochklassiges Betätigungsfeld und ein Karriere-Sprungbrett geboten, darunter heutige Größen wie Trompeter Till Brönner und Pianist Michael Wollny. Stuttgarter Jazzer wie Klaus Graf oder Andi Maile loben den Meister, der sich von allen kollegial duzen ließ, in den höchsten Tönen. Bei etwa 20 Workshops pro Jahr war der sich nicht zu schade - und bewies dabei oft eine Eselsgeduld -, auch Amateur-Big-Bands mit vereinfachten Arrangements auf die Sprünge zu helfen.

Unermüdlich für den Jazz engagiert

Geboren wurde Peter Herbolzheimer 1935 in Bukarest. Als 16-Jähriger kam er nach Nürnberg zu seiner Tante und wanderte bald nach Detroit aus, wo er als Autodesigner bei GM in Detroit arbeitete und mit Gitarrenunterricht nebenher seine Finanzen aufbesserte. Ein Autoliebhaber ist er immer geblieben, der stolz erzählte, dass sein Sohn Oldtimer restauriert. Zurück in Deutschland spielte Herbolzheimer Bassposaune in amerikanischen Clubs, später bei Erwin Lehn und Bert Kaempfert. Einige von dessen Musikern, etwa Herb Geller oder Ack Van Rooyen, holte er 1969 in seine Rhythm Combination & Brass, die mit ihrem wuchtigen, aber hoch differenzierten Big-Band-Sound Riesenerfolge feierte. Cross-over hieß Herbolzheimers Rezept: Jazz-Rock, Latin, Samba und Swing mit viel Blech und einer bärenstarken Rhythmusgruppe. 1972 erhielt er den Auftrag, die Einzugsmusik der Olympischen Spiele von München zu komponieren und die Big Band live - mit 16 Schlagzeugern! - zu dirigieren. Dann folgte die langjährige Zusammenarbeit mit Alfred Biolek bei der legendären Live-Sendung "Bios Bahnhof".

Herbolzheimers bevorzugter Platz zum Komponieren und Arrangieren war die Badewanne, da hatte er seine Ruhe und die besten Einfälle. Ein Album nach dem anderen brachte seine RC&B heraus mit Titeln wie "My Kind Of Sunshine", "Hip Walk", "Fat Man Boogie" oder "Latin Groove". Auch die Gastsolisten konnten sich sehen und hören lassen: Stan Getz war dabei, Dizzy Gillespie, Albert Mangelsdorff, Gerry Mulligan und viele andere. Herbolzheimers Konzertauftritte in großen Hallen oder in stimmungsvollen Clubs wie dem Stuttgarter AT oder dem Karlsruher Krokodil wurden vom Publikum enthusiastisch gefeiert.

Nun ist der warmherzige und charmante Mann gestorben, der sich unermüdlich für den Jazz engagiert und auf der Bühne gerne humorvoll die Tagespolitik kommentiert hat. Alle, die ihn erlebt und seine mitreißende Musik gehört haben, werden um Peter Herbolzheimer trauern.