Die meisten Landwirte setzen nach wie vor Pflanzenschutzmittel ein. Foto: dpa

Die 45 Bauern der Initiative Kraichgau-Korn haben kein Öko-Siegel – dennoch lassen sie beim Getreide alle Pflanzenschutzmittel weg.

Nussloch-Maisbach - So idyllisch wünschen wir uns doch alle die Welt eines Bauernhofes: Das Kälbchen Matilda erhält auf dem Hof von Roland Waldi bei Maisbach südlich von Heidelberg eine Vorzugsbehandlung – Waldis Lebensgefährtin Heidemarie Mienert-Jähner geht mit ihm über die Wiesen spazieren, während der Hund Hugo friedlich nebenher trabt. Das Kälbchen soll lammfromm werden, denn es soll in der Therapie mit Kindern eingesetzt werden. Hofbesitzer Roland Waldi freut sich über die Idee – und zugleich ist er traurig, weil die reale Welt der Landwirtschaft längst ganz anders aussieht. Agrarindustrie statt heile Welt.

Schon vor 26 Jahren hat Waldi beschlossen, nicht mehr mitzumachen. In seinen Herden bleiben die Kälber bei den Kühen, auch auf Kraftfutter verzichtet er. Und er trat damals der Initiative Kraichgau-Korn bei, deren Landwirte komplett auf Spritzmittel verzichten und entlang ihrer Äcker Blühstreifen anlegen. „Mein Vater hätte mich damals fast vom Hof gejagt“, erinnert sich Waldi: „Denn von einem Jahr zum nächsten sank der Weizenertrag von 75 auf 55 Doppelzentner pro Hektar.“

Roland Waldi: „Es ist einfach, man muss es nur wollen“

Roland Waldi ist keineswegs ein Ideologe, er will wie jeder Landwirt von seinen Feldern leben. Aber im Gegensatz zu vielen anderen ist er nicht auf Menge fixiert: „Ich will doch letztlich keine Tonnen vom Acker runterfahren, sondern Euro“, sagt er in schönstem Kurpfälzisch. Sprich: Es muss jemand honorieren, dass er auf Pestizide verzichtet. Derzeit 40 Bäcker im Südwesten leisten genau dies: Sie bezahlen höhere Preise für das ungespritzte Getreide. Unterm Strich, sagt Waldi, verdiene er sogar mehr als bei konventionellem Anbau.

Das für Laien Irritierende ist – alle Pflanzenschutzmittel vom Acker zu verbannen, ist beim Getreide nicht nur möglich, sondern: „Es ist sogar ganz einfach; man muss es nur wollen“, behauptet Waldi. Um Pilzkrankheiten vorzubeugen, suchen die Bauern von Kraichgau-Korn auf ihren zusammen 1400 Hektar Fläche unempfindliche Sorten heraus und säen spät – in einigermaßen trockenen Jahren brauche man deshalb keine Fungizide; in nassen ist dagegen tatsächlich ein Großteil der Ernte bedroht. Und Unkräuter bekämpfen die Bauern mit Eggen – die jungen Sprößlinge werden mit der Maschine von Erde zugedeckt und gehen ein. „Striegeln“ nennt Waldi das. Wichtig ist, dass er die Äcker häufig kontrolliert: „Man muss hinterher sein – sonst bekommt man eine Ohrfeige, die wehtut.“

Die Initiative erhält keine Unterstützung aus der Politik

Ein Öko-Bauer ist Roland Waldi aber nicht. Denn bei anderen Kulturpflanzen, wie Mais oder Raps, schafft auch er es nicht ohne Pflanzenschutzmittel. Raps baut er deshalb gar nicht mehr an: „Und auch der Mais wäre weg, wenn ich eine Alternative hätte.“ Solange steht er dazu, dass es im Mais bei ihm im hügeligen nördlichen Kraichgau ohne Glyphosat nicht gehe. Und auch auf den Getreideäckern verwendet er im Gegensatz zu Öko-Betrieben synthetischen Dünger. Dennoch ist er von der Initiative Kraichgau-Korn überzeugt: Unterm Strich werde in den Betrieben nur noch die Hälfte der früheren Menge an Spritzmitteln verwendet.

Auch Nabu-Experte Jochen Goedecke sagt: „Da die Anbaufläche von Getreide riesig ist, wäre schon sehr viel gewonnen, wenn alle Bauern so wirtschaften würden wie Kraichgau-Korn.“ Ähnliche Initiativen gibt es übrigens mit Linzgau-Korn am Bodensee und mit Maurers Landkorn in Hohenlohe und im Rems-Murr-Kreis.

Goedecke plädiert deshalb dafür, solche Initiativen stärker zu fördern. Doch bisher bekommt Kraichgau-Korn keinen Cent: „Wir bräuchten fünf Jahre lang je 100 000 Euro – nicht für die einzelnen Bauern, sondern um Werbung machen zu können, damit mehr Landwirte und Bäcker mitmachen“, sagt Waldi. Agrarminister Peter Hauk (CDU) ist auf diese Bitte bisher aber nicht eingegangen. Auch auf Anfrage unserer Zeitung teilte er nur mit, dass er die Initiative sehr begrüße und dass Kraichgau-Korn natürlich vom landweiten Marketing für regionale Produkte profitiere. Das heißt im Umkehrschluss: Mehr ist nicht drin.