Tisch, Bett, Schrank: So sind Zimmer für Azubis am Klinikum ausgestattet Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Das Klinikum Stuttgart stellt fürs Personal Wohnungen zur Verfügung, die weit weniger kosten als auf dem freien Markt. Zum Erhalt müssten mehrere Millionen Euro investiert werden. Stadt und Gemeinderat suchen nach einer günstigen Lösung.

Stuttgart - Das Klinikum Stuttgart mit den vier Krankenhäusern Olgahospital, Frauenklinik, Bürgerhospital und Krankenhaus Bad Cannstatt ist wegen seines breiten, fachlichen Angebots beliebt bei Auszubildenden und Berufsanfängern.

 

Wohl wissend um die Schere, die zwischen Ausbildungsvergütung, Einstiegsgehältern und Mietwohnungspreisen aufgeht, stellt das Klinikum Personalwohnungen zur Verfügung: 640 Zimmer, 222 Apartments und 52 Wohnungen. Dieses Angebot für die Angestellten könnte die Stadt künftig jährlich mehrere Millionen kosten.

Für den Wohnungseigentümer – zurzeit noch das Klinikum – gehört der Mietwohnungsmarkt „nicht zu den Kernkompetenzen“, sagt Krankenhausbürgermeister Werner Wölfle. Deshalb hat der Gemeinderat Wölfle und Finanzbürgermeister Michael Föll damit beauftragt, mit der Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft (SWSG) um eine Übernahme des bestehenden Wohnraums und den Betrieb der Personalwohnungen zu verhandeln. Doch bis jetzt ist wenig passiert, „außer dass die Wohnungen in immer schlechterem Zustand sind“, sagt Werner Wölfle.

Sowohl die SWSG als auch ein weiteres Unternehmen hätten eine Machbarkeitsuntersuchung vorgelegt, allerdings sind beide zu dem gleichen Ergebnis gekommen: Die Wohnungen sind ein Verlustgeschäft. Laut Wölfle seien deshalb die Gespräche mit der SWSG gescheitert.

Die Fraktionen im Gemeinderat von Grünen, SPD, SÖS/Linke-plus, Freien Wählern und FDP bedauern, dass das Thema keinen Eingang auf die Tagesordnung des Krankenhausausschusses gefunden hätte. Die CDU, so Stadtrat Nopper, sei „im Geiste“ mit den Antragstellern, eine Unterschrift unter einem Antrag gemeinsam mit den Linken wollte die CDU nicht leisten.

„Eventuell braucht man zur Lösung des Problems ja einen Plan B“, sagt Maria Hackl (SPD), „wir sind nicht auf eine Übergabe an die SWSG fixiert. Aber man muss rechtzeitig vor den Haushaltsplanberatungen wissen, ob man zusätzliches Geld braucht.“ Darüber könne die Fraktion nur beschließen, wenn Klinikum und SWSG Zahlen vorlegten. Thomas Adler (SÖS/Linke-plus) fordert eine offene Diskussion: „Alle Alternativen müssen auf den Tisch, die SWSG ist für uns nur eine gangbare Variante.“

Die SWSG verfügt inzwischen immerhin über eine Machbarkeitsstudie. Darin empfiehlt sie den Umbau von Einzelzimmern zu Apartments, die von den Azubis als Wohngemeinschaft genutzt, bei Bedarf aber auch anderweitig vermietet werden können. Auffällig: Bei allen Objekten sind Sanierungen bis hin zu Abriss und Neubau nötig.

Für die Jahre 2012/13 hat der Gemeinderat jeweils zwei Millionen Euro für die Sanierung bestehender Wohnungen zur Verfügung gestellt. In einer nichtöffentlichen Sitzung des Krankenhausausschusses im Dezember 2014 sei das Gremium allerdings vor die Alternative gestellt worden: Entweder stocke der Gemeinderat diese Mittel auf, oder man könne nicht mehr alle Wohnungen zum jetzigen Preis vermieten. Dieser orientiert sich an einem tarifvertraglich festgelegten Quadratmeterpreis von 8,30 bis 11,25 Euro. So oder so – Werner Wölfle schätzt den zusätzlichen finanziellen Bedarf angesichts von Substanz und Ausstattung der Wohnungen auf „vier bis sechs Millionen“.

Die Fraktionen zeigen sich hilfsbereit, allerdings fordern sie in der Sitzung des Krankenhausausschusses am 24. April die Offenlegung des tatsächlichen Bedarfs. „Wir wollen wissen, wie viele Leute auf Wohnungen zu tarifgebundenen Preisen angewiesen sind“, sagt Silvia Fischer (Grüne). Manche Berufsgruppen könnten sich durchaus Preise des freien Marktes leisten. Klaus Nopper (CDU) sieht bei noch längerem Zaudern die „Zukunftsfähigkeit des Klinikums“ gefährdet: „Wenn mehr als die Hälfte des Nettogehalts für Miete ausgegeben werden muss, kriegen die kein Personal mehr.“

In dem OP und der Intensivmedizin herrscht Fachkräftemangel; Bewerber hätten schon abgesagt, weil andere Träger „wesentlich besseren Wohnraum anbieten“, bestätigt Jürgen Lux, der Personalratsvorsitzende des Klinikums. „Rund die Hälfte der Wohneinheiten, also circa 350 bis 500, brauchen wir tarifgebunden dringend für die Azubis, die sich für ihre Ausbildungsvergütung und ohne Elternzuschuss keine Wohnung leisten können.“ Bei manchen Apartments sei ein Abweichen von der Tarifbindung denkbar, so Lux, nur eines sei inakzeptabel: Die vertraglich garantierten 1000 Wohneinheiten verringern zu wollen, „nachdem wir 2006 nur unter dieser Bedingung dem Verkauf von 500 Wohneinheiten zugestimmt haben, um das Klinikum zu entlasten“, so Lux.

Im Geschäftsjahr 2014 musste das Klinikum Millionendefizite verkraften. Lux: „Die Vorgefechte zum Doppelhaushalt beginnen jetzt, und unsere Personalwohnungen werden da reingezogen. Ein Verkauf von noch mehr Wohnungen, um das Defizit zu mildern, käme einem Vertragsbruch gleich.“