Polizisten kurz vor einem Einsatz in Freiburg Foto: dpa

Juristen sind in der Polizeispitze bisher häufig vertreten. Doch das ändert sich künftig. Nicht nur aus der mittleren Füh- rungsebene werden sie gerade verdrängt, sondern auch aus der Spitze im Land.

Stuttgart - Die Landtags-CDU wirft Innenminister Reinhold Gall (SPD) eine einseitige und riskante Personalpolitik vor, weil er führende Polizeiämter im Land nur noch aus der Polizei heraus besetze. „Die Polizei hat einen starken Korpsgeist, das kann auch dazu führen, dass sie im eigenen Saft schmort“, sagte der innenpolitische Sprecher der Landtags-CDU, Thomas Blenke, unserer Zeitung. Es habe sich bewährt, auch Juristen mit Leitungsfunktionen bei der Polizei zu betrauen.

Blenke nahm damit Bezug auf Medienberichte, wonach der bisherige Inspekteur der Polizei, Gerhard Klotter, neuer Landespolizeipräsident werden soll. Der bisherige Amtsinhaber, der promovierte Jurist Wolf Hammann, wechselt – das Plazet des Ministerrats vorausgesetzt – an die Spitze des Integrationsministeriums. Klotter wäre damit der erste Nichtjurist an der Spitze der Landespolizei.

Die drei operativen Polizeiführer im Innenministerium stammen schon qua Amt aus den Reihen der Ordnungshüter: Das gilt sowohl für den künftigen Landeskriminaldirektor Martin Schatz als auch für den Inspekteur der Polizei (derzeit Klotter) sowie für den künftigen Landespolizeidirektor Ralph Papcke. Der Präsident des Landeskriminalamts, Dieter Schneider, ist ebenfalls ein Nichtjurist.

Aber auch auf der Ebene der künftigen Polizeipräsidenten wird es ab 1. Januar, wenn die große Strukturreform in Kraft tritt, keine Juristen mehr geben. Weder die zwölf Präsidien in der Fläche noch die beiden Präsidien für Einsatz beziehungsweise für Technik werden von einem Juristen geführt. Der Rektor der Polizeihochschule, Alexander Pick, ist ebenfalls Polizist.

„Künftige Polizeipräsidenten müssen in der Lage sein, eigenständig große Polizeieinsätze zu führen“, sagt Günter Loos vom Stuttgarter Innenministerium. In der alten Konstruktion mit 37 Polizeipräsidien und -direktionen sei dies nicht notwendig gewesen. Diese taktische Qualifikation erhalten angehende Spitzenpolizisten in der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster-Hiltrup vermittelt. Zwar ist es theoretisch möglich, dass auch Volljuristen diese Ausbildung durchlaufen, in der Praxis kommt dies jedoch so gut wie nie vor. Einen Direkteinstieg zum höheren Polizeidienst wie in Hessen sieht die Einheitslaufbahn der baden-württembergischen Polizei nicht vor.

Für die beiden einzigen Frauen im Land, die derzeit ein Polizeipräsidium führen, bedeutet dieses praxisbezogene Anforderungsprofil zum 1. Januar eine Degradierung: Die Juristinnen Hildegard Gerecke (Karlsruhe) und Caren Denner (Mannheim) müssen sich künftig mit Vize-Posten zufriedengeben.

Blenke betont, er wolle den Top-Polizisten nicht den juristischen Sachverstand absprechen. Er wisse, dass diese in ihrer Ausbildung umfangreich über strafrechtliche und andere juristische Sachverhalte unterrichtet werden. „Es geht vielmehr darum, in Leitungsfunktionen ein Korrektiv zu haben“, so der studierte Jurist. Das habe sich nicht nur in Baden-Württemberg, sondern auch in anderen Ländern bewährt.

Juristen stellten auch die Verzahnung der allgemeinen Verwaltung mit der Polizei sicher, argumentiert der Abgeordnete. Er rate Innenminister Gall deshalb dringend dazu, auch künftig Juristen in der Polizeiführung zu behalten – auch wenn er wisse, dass der SPD-Mann mit seinem Kurs den Polizeigewerkschaften einen großen Gefallen tue.

In der Tat erntet der Minister, der selbst nicht studiert hat, bei den Interessensvertretern Lob. „Wir brauchen keine juristischen Aufpasser, für die Polizei ist das die richtige Richtung“, sagt Rüdiger Seidenspinner, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei. Falls Klotter tatsächlich den Chefsessel erklimme, sei das ein gutes Zeichen. Seidenspinner: „Es tut der Polizei gut, wenn man zeigt, dass man bei ihr etwas werden kann.“

Einen beachtlichen Karrieresprung würde auch Wolf Hammann mit seinem Wechsel ins Integrationsministerium machen. Dass er von der Polizei kommt, sehen manche zwar kritisch – so werten die Jusos den Wechsel als schlechtes Signal an die Migranten. Integrationsministerin Bilkay Öney verteidigte den Wechsel jedoch. Hammann kennen sich mit Verwaltung aus und habe sich bei der Polizei für interkulturelle Öffnung eingesetzt, sagte sie am Montag.