Eine Berliner Kita hat wegen Personalnot auf einen Schlag die Betreuung von 113 Kindern aufgekündigt. Foto: dpa

In Berlin läuft es mit der Kita-Betreuung ohnehin schon nicht rund: Erzieher streiken für mehr Lohn, Eltern klagen über fehlende Kita-Plätze. Und jetzt das: Womöglich stehen bald mehr als 100 Kinder einer Kita ohne Betreuung da. Was lief da schief?

Berlin - Eine Berliner Kita hat wegen Personalnot auf einen Schlag die Betreuung von 113 Kindern aufgekündigt. Das ist ein bislang wohl einzigartiger Vorgang in der Hauptstadt - im schlimmsten Fall stehen die Kinder aus der Einrichtung eines freien Trägers ab März ohne Betreuung dar. Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie betonte am Donnerstag, dass an einer Lösung für die Kinder mit Hochdruck gearbeitet werde. Der Kita-Träger Rahn Education betonte in einer Stellungnahme, dass es derzeit kaum möglich sei, in Berlin ausgebildetes Fach- und Leitungspersonal zu finden.

Als „hässliche Spitze eines Eisbergs“ bezeichnete die Vorsitzende des Landeselternausschusses Kita, Corinna Balkow, den aktuellen Kita-Fall. „Es ist eine sehr dramatische Entwicklung.“ Dieses Extrembeispiel sei zwar nicht repräsentativ für die Berliner Verhältnisse. Doch es zeige auch, wie schlecht Kitas in der Hauptstadt ausgestattet seien. Betreuungsschlüssel würden etwa nicht eingehalten, dadurch müssten sich Erzieher um mehr Kinder kümmern. „Die Arbeitsbedingungen müssen sich verbessern. Es zerbrechen viele an den Belastungen“, sagte Balkow der Deutschen Presse-Agentur. Zudem gebe es Eltern, die auf einen freien Kita-Platz warten, obwohl ein Rechtsanspruch darauf besteht.

Massenkündigungen der Betreuungsverträge

Der Fall der Kita in Berlin-Tempelhof, über den mehrere Medien berichteten, stellte sich nach Auskunft der Senatsverwaltung so dar: Die Kita-Aufsicht bei der Senatsverwaltung sei Ende November vom Träger und Eltern informiert worden, dass „extreme Personalnot“ in der Kita herrsche. Alles in allem kamen dann im weiteren Verlauf demnach mehrere Faktoren zusammen: „Es gab zahlreiche Kündigungen und sehr viele Krankmeldungen, Beschäftigte von Zeitarbeitsfirmen wechselten, zwischenzeitlich wurde Personal aus Leipzig eingesetzt, wo der Träger seinen Sitz hat“, hieß es von der Senatsverwaltung.

Das Ergebnis waren Massenkündigungen der Betreuungsverträge. Insgesamt hat die Kita den Angaben zufolge Verträge für 221 Kinder. 108 davon sollen weiterbetreut werden und die anderen gekündigten Kinder bevorzugt wieder aufgenommen werden, wenn ausreichend Personal vorhanden ist. In seiner Dimension sei der Fall in Berlin einmalig, teilte die Senatsverwaltung weiter mit.

Der Kita-Träger Rahn Education sprach von einem harten Einschnitt. Ein sehr hoher Krankenstand und unvorhersehbare Fluktuation hätten dazu geführt, dass von 36 Erziehern zeitweise maximal die Hälfte vor Ort gewesen sei, um die Kinder zu betreuen. Unter Berücksichtigung der Sicherheit sei die Entscheidung getroffen worden, die Betreuungsplätze zu reduzieren. Man wolle alles dafür tun, um die Schieflage wieder zu bereinigen.

Schon länger Unmut über Kita-Situation

In Berlin gibt es schon länger Unmut wegen der Kita-Situation in der Stadt. Erst vor Tagen hatten sich mehr als 2000 Erzieher in landeseigenen Kitas, Schulen und Jugendämtern an einem Warnstreik für mehr Gehalt beteiligt. Es gab Ausfälle, zum Teil blieben Kitas stundenweise zu. Gewerkschafter bemängeln, dass Erzieher in Berlin weniger Geld verdienen als in anderen Regionen, weil sie nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder und nicht - wie in anderen Bundesländern - nach dem Tarifvertrag für die Angestellten im öffentlichen Dienst bei Bund und Kommunen bezahlt werden. Die Zahl der Kita-Plätze in Berlin stieg zuletzt auf rund 170 000. Die Masse der Einrichtungen sind in der Hand von freien Trägern.

Unterdessen kritisiert die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA) die Berliner Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD). „Es kann nicht sein, dass ein Träger mit Zeitarbeitsfirmen zusammenarbeitet, die allerdings eine kontinuierliche Arbeit nicht gewährleisten können“, teilte die CDA-Vorsitzende Gabi Gassner mit. Die CDA ist der Sozialflügel der CDU. Ihre Mitglieder engagieren sich vor allem auf Feldern der Sozialpolitik wie Arbeitsmarkt, Rente, Pflege und Gesundheit. Der bildungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Paul Fresdorf, sagte: „Es kann nicht sein, dass die Eltern und Kinder sich nun selbst überlassen sind und von einem auf den anderen Tag vor der Türe stehen.“