Monteure arbeiten in Düsseldorf an einem Unternehmensschild der Deutschen Bahn. Die Entscheidung über die Besetzung der noch offenen Vorstandsposten bei der Deutschen Bahn steht noch immer aus. Foto: dpa

Vorstandsposten sind vakant. Die neue Bundesregierung wird wohl den Bahn-Aufsichtsrat umbauen. Nach dem Scheitern von Cargo-Chef Jürgen Wilder wird auch ein neuer Sanierer für die bedeutendste Güterbahn Europas gebraucht.

Berlin - Der künftige Bundesverkehrsminister und die neue Regierungskoalition müssen einige Erblasten des bisherigen Amtsinhabers Alexander Dobrindt (CSU) bereinigen. Dazu gehört der schon lange schwelende Konflikt um die Besetzung vakanter Vorstandsposten bei der Deutschen Bahn AG. Beim größten Staatskonzern werden neue Weichenstellungen dadurch seit geraumer Zeit erschwert.

Anfang der Woche eskalierte der Zwist erneut. Die für den 19. Oktober anberaumte Aufsichtsratssitzung wurde kurzfristig abgesagt. Gleichzeitig erklärte Jürgen Wilder, der umstrittene Vorstandsvorsitzende der DB Cargo AG in Mainz, seinen Rücktritt. Der Leiter der größten Güterbahn Europas sollte nach dem Willen von DB-Chef Richard Lutz in den Konzernvorstand aufrücken und dort die Führung der gesamten Logistiksparte übernehmen, zu der die Lkw-Spedition Schenker gehört.

Auch Dobrindt und Aufsichtsratschef Utz-Hellmuth Felcht hatten den Vorschlag befürwortet. Doch schnell formierte sich auf Seiten der Arbeitnehmerbank im 20-köpfigen Aufsichtsrat massiver Widerstand gegen den Aufstieg Wilders, der bei der defizitären Güterbahn die Rotstiftpläne des Sanierungskonzepts „Zukunft Bahn“ von Ex-Bahn-Chef Rüdiger Grube und der US-Beratung McKinsey durchsetzen sollte. Die Streichung von mehr als 2000 Jobs wurde aber inzwischen aufgegeben.

Die nötige Mehrheit für die Berufung Wilders fehlte schon seit Monaten

Dem Veto der Arbeitnehmervertreter schlossen sich auf der Kapitalseite im Aufsichtsrat auch zwei SPD-Politiker an, namentlich Wirtschafts-Staatssekretär Uwe Beckmeyer und die Verkehrsexpertin Kirsten Lühmann. Die nötige Mehrheit für die Berufung Wilders fehlte deshalb schon seit Monaten. Bereits die kurz vor der Bundestagswahl geplante Aufsichtsratssitzung wurde deshalb abgesagt. Auch weitere Einigungsversuche verliefen im Sande.

Nun soll offenbar die Bildung der neuen Regierung abgewartet werden, nach der sich voraussichtlich auch die Besetzung des DB-Aufsichtsrats ändern wird. Auf Kapitalseite sitzen bisher unter anderem drei Staatssekretäre aus dem Verkehrs-, Wirtschafts- und Finanzministerium im Kontrollgremium. Sollte die Jamaika-Koalition zustande kommen, könnten Vertreter der FDP und der Grünen die Posten übernehmen.

Die lange Hängepartie und das absehbare Scheitern Wilders werden auch Bahnchef Lutz sowie Aufsichtsratschef Felcht angekreidet, der unter dem früheren Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) ins Amt kam. Besonders Felcht gilt als angezählt, nachdem zu Jahresbeginn bereits der Zwist um die Vertragsverlängerung Grubes eskalierte und der Ex-Konzernchef noch in der damaligen Sitzung seinen sofortigen Rücktritt erklärte. Inzwischen wird auch in konservativen Medien das „Führungschaos“ beim größten Staatskonzern kritisiert.

Die nächste Aufsichtsratssitzung soll jetzt im November stattfinden

Die schon zwei Mal verschobene Aufsichtsratssitzung soll nach Informationen unserer Redaktion nun am 10. November stattfinden. Ob bis dahin neue Kandidaten für den vakanten Posten im Konzernvorstand sowie den Chefsessel bei DB Cargo gefunden werden, ist offen. Bisher war dafür eine sechsköpfige „Findungskommission“ zuständig, der neben Felcht und Lühmann der Vorsitzende der Bahngewerkschaft EVG und Aufsichtsrats-Vize Alexander Kirchner sowie Betriebsratschef Jens Schwarz angehörten.

Wegen des Streits um Wilder ist seit Monaten auch die Besetzung weiterer Vorstandsposten blockiert. So soll die Informatikerin Sabina Jeschke von der Hochschule RWTH künftig als Vorstandsfrau die Digitalisierung der Bahn voranbringen. Und Martin Seiler, der von der Deutschen Telekom kommt, soll Nachfolger des aus Altersgründen ausscheidenden Arbeitsdirektors Ulrich Weber werden. Beide sind seit Monaten im Wartestand.

Der DB-Konzernvorstand besteht wegen der Differenzen im Aufsichtsrat seit dem Abgang Grubes und zuvor seines Vizes Volker Kefer nur noch aus vier Personen. Der langjährige Finanzchef Lutz leitet in Doppelfunktion seither auch den gesamten Konzern, der rund 300 000 Mitarbeiter und mehr als 1000 Tochterfirmen umfasst. Sein Vize, der frühere Kanzleramtschef Ronald Pofalla, ist für die problembeladene Infrastruktur zuständig, Weber für das Personal und Berthold Huber für den Personen- sowie kommissarisch auch für den Güterverkehr.