So kannte man Jochen Kretschmaier bis zum Jahr 2012 beruflich. Schon als kleiner Junge hat der spätere Vulkaniseur beim Vater in der Werkstatt geholfen. Foto: Ulrike Koch (Archiv)

Jochen Kretschmaier aus Botnang wird seinen Erstwohnsitz verlagern. Im Stadtbezirk wird man das lebendige Geschichtslexikon, wie ein Ratskollege ihn nennt, vermissen.

Stuttgart-Botnang - Jochen Kretschmaier und Botnang: Das gehört einfach zusammen. Nicht auszudenken, dass „das lebendige Geschichtslexikon“ – wie Bezirksbeirat Michael Schneider (CDU) seinen scheidenden Ratskollegen jüngst nannte – den Bezirk einmal verlassen würde. Doch bald ist es soweit: „Ich mache gerade noch Urlaub in der Bretagne. Und danach werde ich meinen Erstwohnsitz ins Allgäu verlagern“, sagte Kretschmaier am Freitag gegenüber unserer Zeitung. „Ich werde nicht von heute auf morgen aus Botnang verschwunden sein. Aber die Tage, die ich im Stadtbezirk verbringe, werden nach und nach weniger.“

Dass Jochen Kretschmaier umzieht, hat natürlich triftige Gründe: Seine Frau Maria Mayer ist Oberallgäuerin. Und sie hat den elterlichen Hof geerbt. „Mit Milchvieh und Landwirtschaft werden wir aber nichts zu tun haben“, betont der 1954 geborene Kretschmaier. Vielmehr wolle er sogenanntes Pensionsvieh halten. Das seien Rinder von anderen Landwirten, die noch nicht gekalbt haben und für einige Zeit dann bei ihm unterkommen. „Die Tiere fressen die Wiesen ab. Und ich muss kein Heu machen“, sagt Jochen Kretschmaier und schmunzelt. Er wird auch Tiere aus Botnang mit in die neue Heimat nehmen. Fünf Gänse werden den Weg ins Hochland – nahe Altusried und Kempten – auf sich nehmen. Sie werden dort einen eigenen kleinen See bekommen. Kretschmaier ist passionierter Kleintierzüchter. „Aber ich bin praktisch eigentlich Mitglied in allen Botnanger Vereinen.“

„Mit Botnang werde ich mich immer mehr als verbunden fühlen“

1959 kam Kretschmaier aus dem Stuttgarter Westen nach Botnang. „Wir haben auf dem Grundstück meines Großvaters an der Sommerhalde gebaut.“ Sein Vater Wolfgang war Vizekommandant der Freiwilligen Feuerwehr. Und Jochen Kretschmaier ist seit dem 11. März 1967 bei den Floriansjüngern, „seit dem Tag der Gründung der Jugendfeuerwehr“. Er war aber auch schon Beisitzer im Vorstand des ASV Botnang und aktiv bei der SKG, zu der er über den Volkslauf gekommen ist. „Das ist bei meinem heutigen Körpergewicht kaum vorstellbar, aber ich bin früher bei der sogenannten Schweden-Staffel die langen Strecken gelaufen“, sagt Kretschmaier.

Am intensivsten habe er sich aber mit der Botnanger Heimatgeschichte beschäftigt. Bis zum heutigen Tag gab es 31 Heimatblätter. „Und ich habe an allen mitgearbeitet.“ Sein geschichtliches Wissen teilt er gerne – auch mit seinen Kollegen aus dem Bezirksbeirat. Diesem Gremium gehörte er für die Freien Wähler rund 30 Jahre an. „Mit deinem Austritt geht eine Ära zu Ende“, sagte Michael Schneider beim Abschied Kretschmaiers, stellvertretend für die Bezirksbeiräte. Und Bezirksvorsteherin Mina Smakaj betonte, dass „Menschen wie Sie ein Dorf, eine Stadt oder einen Bezirk ausmachen. Wir werden Sie hier vermissen“.

Das gilt auch für die Freien Wähler: Bei der Jahreshauptversammlung wurde Kretschmaiers Engagement noch einmal gewürdigt. Dem ehemaligen Mitglied des Kreisvorstands und des Regionalrats wurde die Ehrenmitgliedschaft verliehen. Seinen Platz als stellvertretendes Mitglied im Bezirksbeirat hat die verheiratete 51-jährige Elke Bayh übernommen, die seit 18 Jahren in Botnang lebt.

„Ich möchte mich bei meiner Familie für die vergangenen Jahre bedanken“, sagte Jochen Kretschmaier zum Abschied. „Mit Botnang werde ich mich immer mehr als verbunden fühlen.“