Der chinesische Präsident Xi Jinping, unten, gestikuliert bei seiner Ankunft zur Eröffnungssitzung des Volkskongresses in der Großen Halle des Volkes im vergangenen Jahr. Foto: dpa

Peking missbraucht die Pandemie als Vorwand, um die Auslandspresse mit Einreiseverboten auszudünnen.

Peking - Wenn Pekings Parteikader am Freitag den Nationalen Volkskongress eröffnet, wird das Gros der Auslandspresse die Reden der Abgeordneten am Fernsehbildschirm verfolgen. Aufgrund der Pandemie ist dieses Jahr noch völlig unklar, ob Korrespondenten in die Große Halle des Volkes zugelassen werden oder nicht. Doch unabhängig davon steht bereits fest: Zu sehen bekommen die Medien lediglich, was die Kommunistischen Partei präsentieren möchte. Kritische Interviewanfragen werden abgelehnt. Wie herausfordernd die Lage ausländischer Journalisten in China ist, demonstriert der am Montag publizierte Jahresbericht des Korrespondentenclubs in China. Zum dritten Mal in Folge gab demnach kein einziges Mitglied an, dass sich die Arbeitsbedingungen verbessert hätten.

Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie werden gezielt gegen Journalisten angewendet

Es ist ein Paradoxon: Einerseits ist das Interesse an China-Berichterstattung 2020 auf ein Allzeithoch gestiegen. Denn ganz gleich, ob der Lockdown in Wuhan, die Menschenrechtsverbrechen in Xinjiang oder die Niederschlagung der Hongkonger Demokratiebewegung: Für eine differenzierte Einschätzung ist eine Präsenz vor Ort unabdingbar. Gleichzeitig jedoch wird die Arbeit immer schwieriger.

Neu ist, dass die Behörden Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie gezielt gegen kritische Journalisten anwenden. So berichten Kollegen regelmäßig davon, dass sie mit Quarantäne-Androhungen, die für die restliche Bevölkerung nicht gelten, von Reportagereisen in „sensible“ Regionen wie Xinjiang abgehalten werden. Vor allem aber zählen ausländische Journalisten zur einzigen Berufsgruppe, für die China seine Landesgrenzen nach wie vor geschlossen hält. Trotz mehrwöchiger Quarantäne und negativer Corona-Tests dürfen Korrespondenten nicht in die Volksrepublik einreisen. Rund zwei Dutzend Journalisten stecken in ihren Herkunftsländern fest – ohne Hoffnung auf Rückkehr nach China.

Am stärksten getroffen sind australische Medien

Es ist davon auszugehen, dass in den kommenden Monaten weitere Kollegen aufgrund von auslaufenden Verträgen das Land verlassen werden. Da jedoch seit Beginn der Pandemie keine Visa an westliche Journalisten vergeben wurden, können die Stellen nicht nachbesetzt werden. Der Verdacht liegt nahe, dass die Regierung unter dem Vorwand der Pandemiebekämpfung die Reihen der Auslandspresse ausdünnen möchte.

Zudem wurden 2020 so viele Journalisten aus China ausgewiesen wie zuletzt 1989 nach der blutigen Niederschlagung der Studentenbewegung am Tiananmen-Platz. Die Ausweisungen von 18 US-amerikanischen Korrespondenten der „New York Times“, der „Washington Post“ und des „Wall Street Journal“ erfolgten zwar keineswegs im luftleeren Raum, sondern wurden durch Visa-Beschränkungen für Chinesen von Ex-Präsident Donald Trump provoziert. Doch für Peking kam die Vorlage aus dem Weißen Haus als willkommener Anlass, Vergeltung zu üben. Einer der im März 2020 ausgewiesenen Journalisten, Steven Lee Myers von der „New York Times“, meint: „Ungeachtet dessen, was China nach außen hin sagt, dass es offen sei und der Welt eine lebendige Gesellschaft zeigen möchte, schränken sie die Berichterstattung über alles, was nicht ihrer Vision entspricht, eindeutig ein.“

Am stärksten getroffen sind australische Medien, die derzeit keinen einzigen Korrespondenten mehr in China beschäftigen. Im letzten Jahr wurden die letzten zwei Kollegen spätnachts von Sicherheitsbeamten besucht und über ihre Ausreisesperre informiert. Erst nach fünftägigen Verhandlungen durften sie das Land verlassen.