Der E-Learning-Experte Tobias Ladewig demonstriert, wie das Arbeiten mit der VR-Brille funktioniert. Foto: /Werner Waldner

Das Unternehmen Würth Industrie Service und die Erich-Bracher-Schule starten ein Pilotprojekt.

Kornwestheim - Es kann nichts passieren. Wenn der Ständer mit Waren wegen Überladung zusammenbricht, wenn der Gabelstapler die Pyramide mit falsch platzierten Saftpackungen umfährt oder wenn Kunden sich in den Gängen verirren und den Ausgang nicht finden – kein Problem, weil all diese Missgeschicke nur auf dem Bildschirm passieren. Wenn Schülerinnen und Schüler schwere Regale verrücken, können sie sich nichts ausrenken, weil sie sich in einer virtuellen Welt bewegen, geschaffen von der Firma Würth Industrie Service und nun auch genutzt von der Erich-Bracher-Schule in Pattonville für die Ausbildung der Einzelhandelskaufleute.

 

Für die Berufsschule ist’s ein gewaltiger Schritt in die digitale Zukunft. Gab es bisher nur Schulbücher und einen kleinen Raum mit Verkaufstheke, in denen bestimmte Situationen mit wenigen Auszubildenden eingeübt werden konnten, so können die jungen Leute nun gemeinsam Ladenlokale in großem Stil einrichten und Produktplatzierungen einüben. Das Team von Tobias Ladewig, Leiter der Entwicklung E-Learning bei Würth Industrie Service, hat die unechten Welten erschaffen – eigentlich für die innerbetriebliche Ausbildung und für die Präsentation bei Kunden. Dass diese Technik nun in einer Schule zum Einsatz kommt, ist für beide Seiten Neuland – für das Unternehmen, das sich von der Zusammenarbeit neue Erkenntnisse für die Weiterentwicklung der Virtual Reality (VR) erhofft, und für die Erich-Bracher-Schule, die Bildungsinhalte für eine größere Gruppe von Schülern simulieren kann.

Die Auszubildenden, die beispielsweise ein Ladenlokal nach neuesten Erkenntnissen einrichten sollen, tragen VR-Brillen und hantieren wie in einer echten Umgebung. Die Erich-Bracher-Schule will zunächst ein Dutzend dieser Brillen anschaffen, um sie im Unterricht einzusetzen. Insgesamt, so Tobias Ladewig bei einer Vorführung in der Pattonviller Berufsschule, könnten 15 bis 20 Personen gleichzeitig in dem Raum arbeiten oder von ihrem Rechner, Tablet oder Smartphone aus das Geschehen verfolgen. Oliver Schmider, Leiter der Erich-Bracher-Schule, ist begeistert. „Dank der Zusammenarbeit schaffen wir die notwendige Basis, um unsere Schülerinnen und Schüler im Umgang mit neuen und anspruchsvollen Technologien zu sensibilisieren.“ Der Landkreis Ludwigsburg, Träger der Erich-Bracher-Schule, unterstützt das Pilotprojekt mit einem niedrigen fünfstelligen Betrag. Schmider hofft, dass die virtuellen Welten nicht nur im Unterricht der Einzelhandelskaufleute zum Einsatz kommen, sondern später auch die Bankkaufleute oder Lageristen davon profitieren. Der Vertrag, den Schmider und Ladewig unterzeichneten, ist zunächst bis zum Sommer 2022 befristet. Der Würth-E-Learning-Experte und der Schulleiter haben vereinbart, dass die Lehrkräfte schon in Kürze auf den Einsatz der Technik vorbereitet werden, um möglichst schnell mit der Ausbildung beginnen zu können. Zunächst, so Schmider, sollen kleinere Gruppen mit der Virtual Reality arbeiten, bevor ganze Klassen die Technologie nutzen. Der Lehrstuhl Wirtschaftspädagogik der Universität Konstanz wird das Projekt wissenschaftlich begleiten und für die Projektpartner herausfinden, welchen Lernfortschritt die Schülerinnen und Schüler gemacht haben.