Nichts mehr zu machen für Schottlands Keeper David Marshall. Foto: AFP/ANDY BUCHANAN

Tschechiens Patrik Schick hat mit seinem 45-Meter-Tor im EM-Spiel gegen Schottland wohl bereit das Tor des Turniers geschossen. Mit seinem spektakulären Weitschuss reiht er sich in eine Reihe von wahren Meisterschützen.

Glasgow - Rustikal, gefühlvoll, kurios - aber vor allem weit. Der Fußball ist reich an großartigen Toren aus der dritten oder sogar vierten Reihe. Einen weiteren Beweis dafür lieferte Patrik Schick mit seinem Bilderbuch-Schuss aus 45,5 Metern gegen Schottland bei der EM am Montag in Glasgow.

Der frischgebackene EM-Rekordhalter ist nun Teil einer illustren Runde von Kunstschützen:

TOM KING (96 Meter/Newport County)

Weltrekord oder nicht? Torhüter Tom King vom walisischen Viertligisten Newport County stellte im Januar diesen Jahres mit einem Abschlag-Treffer aus exakt 96,01 Metern eine Bestmarke im Profifußball auf. Zumindest wurde der windbegünstigte Kunstschuss vom Guinness-Buch der Weltrekorde auch als solcher anerkannt. Doch die Einschätzung der Weltrekord-Wächter wirf Fragen auf: Schon im April 1985 traf der deutsche Keeper WILHELM HUXHORN im Zweitligaspiel von Darmstadt 98 gegen Fortuna Köln sogar aus 102 Metern. Dafür erhielt der Torwart, der im April 2010 verstarb, seinerzeit ebenfalls einen Eintrag ins Guinness-Buch.

MORITZ STOPPELKAMP (82,3 Meter/SC Paderborn)

Das mit Abstand weiteste Tor in der Bundesliga-Geschichte kommt von Moritz Stoppelkamp. Am 20. September 2014 fiel ihm in der Nachspielzeit eine Kopfballabwehr am eigenen Strafraum auf die Brust. Stoppelkamp schaltete sofort und jagte den Ball ansatzlos über das gesamte Feld ins verwaiste Tor von Rio-Weltmeister Ron-Robert Zieler. Mit dem 2:0-Sieg über Hannover 96 eroberte Aufsteiger Paderborn kurzzeitig die Tabellenspitze, am Saisonende stieg der Underdog dennoch direkt wieder ab. Sein Wahnsinnstor ist in Ostwestfalen auch über die Saison hinaus allgegenwärtig: Der Verein ehrte den Mittelfeldspieler mit der Benennung eines Fußwegs zum Stadion in Moritz-Stoppelkamp-Allee. Länge: 82,3 Meter!

GEORGIOS TZAVELLAS (73 Meter/Eintracht Frankfurt)

Mit einem Tor aus einer ganz anderen Güteklasse überwand der griechische Linksverteidigers im März 2011 ebenfalls einen 2014er-Weltmeister. Tzavellas suchte seinen Landsmann Theofanis Gekas mit einem langen Diagonalball. Der Angreifer wollte das Spielgerät aus vollem Lauf mitnehmen, dies misslang jedoch. Schalke-Keeper Manuel Neuer war von dieser Aktion derart verwirrt, dass er einen Schritt in die falsche Richtung machte und dem Ball im Anschluss nur noch hinterher schauen konnte. Für Tzavellas war es das erste und einzige Bundesligator.

DIEGO (62 Meter/Werder Bremen)

Der Brasilianer verzückte in seinen drei Jahren bei Werder Bremen die gesamte Liga mit Technik und Raffinesse. Genau diese Aspekte halfen ihm auch bei seinem spektakulärsten Werder-Treffer gegen Alemania Aachen im April 2007. Wie bei Stoppelkamp befand sich die Partie in der Schlussphase, Aachens Schlussmann Kristian Nicht war mit in den Bremer Strafraum aufgerückt. Doch stattdessen kam Diego nach einem abgewehrten Freistoß an den Ball und stellte sein Können mit einem Schuss unter die Latte eindrucksvoll unter Beweis.

ALEX ALVES (52 Meter/Hertha BSC)

Am 30. September 2000 schaffte der Brasilianer das Kunststück, Torhüter Markus Pröll zu überraschen. Nach einem Gegentreffer im Spiel gegen den 1. FC Köln schoss der Südamerikaner direkt aus dem Mittelkreis aus 52 Metern ins Tor zum zwischenzeitlichen 1:2, Hertha gewann noch 4:2. „Das Tor von der Mittellinie gegen Köln war das schönste in meinem Leben. Ich freue mich, dass ich dieses Tor für Hertha geschossen habe“, sagte Alves später. Im November 2012 verstarb der exzentrische Profi im Alter von nur 37 Jahren an den Folgen einer Leukämie-Erkrankung.

CARLI LLOYD (49 Meter/USA)

Mit besonderer Genugtuung wird die damalige US-Kapitänin auf ihren Distanztreffer im WM-Finale 2015 zurückblicken. Ihr Tor von der Mittellinie war der Höhepunkt eines furiosen Sturmlaufs gegen völlig überforderte Japanerinnen. Sinnbildlich dafür stand Torhüterin Ayumi Kaihori, die vom Lloyds Fernschuss sprichwörtlich überrumpelt wurde. Vier Jahre zuvor hatten Lloyd und Co. bei der WM-Endrunde in Deutschland im Endspiel gegen Japan im Elfmeterschießen verloren.

KLAUS AUGENTHALER (48 Meter/Bayern München)

Dass der Weltmeister-Libero von 1990 in den 1980er-Jahren nicht nur zum Verteidigen und Klären befähigt war, bewies der einstige Weltklassespieler mit dem Tor des Jahrzehnts bei der Wahl in der ARD-Sportschau. Der Abwehrchef von Bayern München bewies sprichwörtlich „Auge“, als er im August 1989 entdeckte, dass Eintracht Frankfurts Torwart Uli Stein weit vor seinem Kasten stand. Sein Spannschuss flog in einer perfekten Flugkurve über den machtlosen Schlussmann zum 1:0-Endstand ins Netz.

BERND SCHUSTER (45 Meter/Bayer Leverkusen)

Ganz ähnlich zu Augenthaler, wenn auch ein paar Meter näher dran, schlug Bernd Schuster 1994 eiskalt aus der Ferne zu - auch hier war der Gegner Eintracht Frankfurt. Weil Nationalkeeper Andreas Köpke ein paar Schritte zu weit aus seinem Kasten gerückt war, setzte der „Blonde Engel“ im Dress des Werksklubs  zum gefühlvollen Heber an und traf gekonnt in den rechten Torwinkel. Auch der Kunstschuss Schusters wurde als Tor des Jahrzehnts in der Sportschau ausgezeichnet.