Kapitän Patrick Zieker spricht vor dem Pokalspiel des TVB Stuttgart gegen Flensburg über die ungewohnte Heimspielstätte, den 4:16-Punkte-Start, den Trainer und mögliche Zugänge.
Handball-Bundesligist TVB Stuttgart empfängt im DHB-Pokal-Achtelfinale an diesem Mittwoch (20 Uhr/Scharrena) Ligarivale SG Flensburg-Handewitt. Kapitän Patrick Zieker schätzt die Lage ein.
Herr Zieker, sind Sie froh, dass am Mittwoch ein anderer Wettbewerb auf dem Programm steht?
Ich fand zunächst einmal die Länderspielpause ganz gut. Sie verschaffte einem eine kleine Pause. Man konnte etwas raus dem Alltagstrott, den Kopf frei kriegen, Spannung und Druck rauslassen. Jetzt freue ich mich auf ein heißes Pokalspiel, für solche Alles-oder-nichts-Spiele lebt man doch als Sportler.
Noch zwei Siege – und der Sprung ins Final Four nach Köln wäre perfekt.
Das ist natürlich verlockend. Zumal es für mich selbst ein Traum wäre, da erstmals als Spieler mit dabei zu sein. Dafür brenne ich. Und das vergangene Jahr hat gezeigt, dass auch dieser Wettbewerb immer verrückter wird und nichts unmöglich ist, wie die Final-Four-Teilnahme von Zweitligist Balingen belegt hat. Wir werden jedenfalls alles daransetzen, an diesem Mittwoch eine Runde weiterzukommen.
Kann die Scharrena dabei ein Vorteil sein?
Die wenigen in unserem Team, die schon einmal in der stimmungsvollen kleinen Arena gespielt haben, wissen, welchen Charme diese Halle hat. Sie hat eine geile Akustik, da rückt alles eng zusammen. Für den Gegner kann das alles ziemlich ungewohnt sein.
Jener Gegner, der noch eine Rechnung mit dem TVB offen hat.
Stimmt, das 29:29 gegen uns am zweiten Spieltag in ihrer Halle werden die Flensburger nicht vergessen haben. In diesem Spiel lief für uns vieles optimal. Da hat in der Abwehr und im Angriff jedes Rädchen ineinandergriffen, auch Vujo (Anm.: Torwart Miljan Vujovic) hat super gehalten.
Warum war dieses Spiel der einzige richtig positive Ausreißer nach oben?
Fakt ist, dass uns in jedem Spiel ein kleines bisschen fehlt. Wir sind in allen Spielen 50, 55, 57 Minuten lang dran, halten uns die Chance auf einen Punktgewinn offen, doch dann kommt ein Fehlwurf oder ein technischer Fehler in der entscheidenden Phase zu viel. Oder es fehlen die Paraden hinter einer Abwehr, die sicher noch nicht das Niveau hat, wie wir uns das alle wünschen. Aber die Entwicklung kann man sehen.
Die nackten Zahlen mit 4:16 Punkten sehen anders aus.
Wenn man rein auf die Tabelle schaut und die Leistung ausklammert, dann ist das natürlich nicht das, was wir uns erhofft haben. Wenn man aber den Prozess betrachtet, wenn man sieht, wie wir mit den personellen Rückschlägen umgehen, wie wir es schaffen, uns bei den Spielen immer wieder auf Kurs zu halten, dann weiß man: Es braucht nicht viel, damit dieser Bock umgestoßen wird.
Nach Flensburg kommen machbare Gegner nach Stuttgart wie Minden, Wetzlar und Leipzig. Sich darauf zu verlassen könnte auch eine Gefahr sein – oder?
Wir dürfen bloß nicht den Fehler machen, den Spielplan durchzugehen und zu sagen, da könnte man, da will man, da muss man. Das wäre die falsche Herangehensweise. Der Fokus muss auf uns selbst gerichtet sein. Wenn man nur ein Prozent nachlässt, hast du schon verloren – egal, gegen welchen Gegner.
Die Verletzungsprobleme sind hinlänglich bekannt, dennoch kommt ein fitter Mann wie der Linkshänder Achilleas Toskas so gut wie nicht zum Einsatz. Wie erklären Sie sich das?
Die Breite des Kaders ist sicher ein entscheidender Faktor in der Crunchtime. Aber Kai Häfner spielt eine überragende Saison und kann in der 59. Minute immer noch einen Zaubermoment raushauen, das weiß jeder. Toski (Anm.: Achilleas Toskas) braucht vielleicht noch ein bisschen, um in dieses System reinzuwachsen, er trainiert aber super und kann von Kai viel lernen.
Ist Misha Kaufmann nach einem 29:29 am zweiten Spieltag in Flensburg ein anderer als jetzt mit 4:16 Punkten?
Nein, Misha hat seine Linie, die hält er, das zeichnet ihn auch aus. Er bleibt auf Kurs, er hat einen klaren Plan, und wir ziehen mit. Natürlich ist es ein Ergebnissport, aber er hat den Fokus immer auf dem Prozess. Er macht einen tollen Job und hilft uns stets, Rückschläge wegzustecken.
Für die neue Saison soll der TVB mit Mohamed Amine Darmoul (MT Melsungen) klar sein, auch Nikolas Portner (SC Magdeburg) oder Philipp Meyer (ThSV Eisenach) werden gehandelt. Inwieweit ist das Thema im Team?
Natürlich nehmen wir diese Gerüchte auch wahr, durch die sozialen Medien wird man damit fast zwangsläufig konfrontiert. Klar wissen wir auch, welche Verträge auslaufen, welche Spieler zur Philosophie passen. Aber letztendlich sind wir da zu weit weg.
Mit weniger Lob, dafür mit einem Sieg an diesem Mittwoch könnten Sie wahrscheinlich gut leben?
(Lacht) Stimmt, wir bekommen viel Anerkennung und Zuspruch, können uns aber nichts davon kaufen. Wir sind uns sicher, dass irgendwann der Erfolg kommt, wenn wir so weiterarbeiten, aber wir sind Leistungssportler und wissen genauso, dass wir diese Erfolgserlebnisse brauchen.
Info
Persönliches
Patrick Zieker wurde am 13. Dezember 1993 in Ludwigsburg geboren. Der Linksaußen spielte in der Jugend für die HG Steinheim-Kleinbottwar und die SG BBM Bietigheim. 2012 wechselte er zum TBV Lemgo, ehe es ihn 2019 zum TVB Stuttgart zog. Dort hat er einen Vertrag bis 2027. In 17 Länderspielen erzielte er 32 Tore.
Karriere
Zieker ist verheiratet mit Hannah. Das Paar hat die Söhne Theo (6) und Matti (4) sowie die Zwillingstöchter Amelie und Mathilda (2). Seine Hobbys sind Hunde und Kochen.
DHB-Pokal-Achtelfinale TBV Lemgo Lippe – VfL Gummersbach, HC Elbflorenz Dresden – MT Melsungen, Bergischer HC – TSV Hannover-Burgdorf, HBW Balingen-Weilstetten – THW Kiel (alle 5. November, 19 Uhr), HSG Nordhorn-Lingen – SC DHfK Leipzig, TV Großwallstadt – SC Magdeburg (beide 5. November, 19.30 Uhr), TVB Stuttgart – SG Flensburg-Handewitt (5. November, 20 Uhr), Füchse Berlin – ThSV Eisenach (6. November, 19 Uhr). Viertelfinale: 17. Dezember. Final Four: 18./19. April 2026. (jüf)