Patricia Kinzler mit ihrer „guten Seele“, dem Rekommandeur Christian Herrmann. Foto: StZN/Schäfer

Seit 1987 sitzt Patricia Kinzler an den Schaltknöpfen von Breakdance No. 1. Das Fahrgeschäft ist längst Kult – auch, weil Kinzlers Stimme wie eine Volksfest-Zeitmaschine wirkt.

Irgendwann in den 90ern: Über dem Cannstatter Wasen geht langsam die Sonne unter, die Lichter werden angeknipst und zwei junge Mädchen fahren Breakdance No. 1. Wieder und wieder. Wegen der Musik. Wegen der Jungs. Und ins Bierzelt ließen sie uns ja noch nicht. Patricia Kinzlers Stimme katapultiert einen direkt zurück in diese Zeit. Wer sie hört, ist wieder 16. Es ist die prägnanteste, die wiedererkennbarste Stimme auf dem ganzen Volksfest.

 

„Diese Frau ist so Kindheit“, schreiben Menschen unter die Clips von Breakdance No. 1, die es massenweise im Netz zu finden gibt. Hashtag Pätrischa.

1987 war Breakdance No. 1 zum ersten Mal auf dem Cannstatter Wasen, seither hat es kein Volks- und kein Frühlingsfest gegeben, an dem das Fahrgeschäft nicht dort gestanden hätte. Breakdance als Kult zu bezeichnen, ist zumindest nicht übertrieben. „Dieses Karussell wird über Generationen hinweg geliebt, das ist das Besondere“, sagt Patricia Kinzler, wenn man sie danach fragt. Weltweit gibt es nur drei dieser Fahrgeschäfte in dieser Größe.

Menschen, die als Jugendliche Breakdance No. 1 gefahren sind, kommen später mit ihren eigenen Kindern wieder. Über Patricia Kinzlers Mikrofon kamen schon Heiratsanträge. Paare machen hier ihre Hochzeitsbilder, weil sie sich einst an den Geländern am Rundgang um die Drehscheibe mit den Gondeln kennengelernt haben.

Patricia Kinzler in Aktion hören Sie hier:

Und da ist natürlich diese Stimme. Patricia Kinzler hört man raus: „Das hat man mir schon oft gesagt, dass meine Stimme sehr einzigartig ist. Ich selber kann das ja gar nicht wirklich beurteilen.“ Diese Stimme ist dunkel, rau, knorrig, ziemlich cool – ein bisschen so wie Kinzler selbst. Seit 38 Jahren klingt sie bei Breakdance No. 1 aus dem Mikro. „Die Menschen können das manchmal gar nicht fassen. Die kommen dann nach der Fahrt zu mir und sagen: Wow, du bist ja immer noch da.“

Patricia Kinzler stammt aus einer Volksfest-Dynastie

Wenn sie mit zügigen, energischen Schritten vom Steakhouse, das sie mit ihrem Mann betreibt, rüber zu Breakdance No. 1 geht, sieht man: Diese Frau ist auf dem Wasen zu Hause. Patricia Kinzler stammt aus einer Stuttgarter Schaustellerdynastie. Ihr Urgroßvater Julius Kinzler kam 1910 mit einem hölzernen Pferdekarussell aufs Volksfest, 1927 baute die Familie Kinzler das erste Riesenrad dort auf. Bis vor ein paar Jahren gehörte Patricias Bruder Stefan die Wilde Maus. Wenn es ein waschechtes Wasenkind gibt, Patricia Kinzler ist so eines.

Kinzler live kann man jeden Tag auf dem Cannstatter Wasen hören. „Stuttgart hast du Bock?“, ruft die Rekommandeurin (so nennt man in der Fachsprache die Menschen, die an den Hebeln eines Fahrgeschäfts sitzen) den Leuten in den Gondeln zu. „Attacke, wir geben mal Gummi.“ Es sind die Sprüche, die die Breakdance-Fans so lieben.

Die Gondeln, die zackige, abrupte Schwenkbewegungen machen, gaben Breakdance No. 1 den Namen – „sie bewegen sich so wie ein Breakdancer“. „Das Karussell passt zu mir, wir sind eine Einheit“, findet Kinzler. „Dieses Zackige, etwas Eckige – so bin ich als Mensch.“ Nachmittags steuert sie das Karussell familienfreundlicher, abends, wenn die draufgängerischen Jugendlichen fahren, wird die Geschwindigkeit hochgedreht.

Wenn ihr Rekommandeur Christian Herrmann an den Hebeln übernimmt, macht Patricia Kinzler die Buchhaltung, überweist Rechnungen, schreibt Bewerbungen für andere große Volksfeste in ganz Deutschland oder sieht im Steakhouse nach dem Rechten. So ein Fahrgeschäft ist eben vor allem auch ein Wirtschaftsunternehmen mit Mitarbeitern, die bezahlt werden wollen.

„Ich spiele das, was ich gut finde“

In den 1980er und 90er Jahren kamen die jungen Menschen auch, weil sie hier die Musik hörten, die sie mochten. Bis heute spielt Patricia Kinzler in ihrem Fahrgeschäft die Musik, die ihr gefällt. „Ich hab mich nie an den Charts orientiert – ich spiele das, was ich gut finde.“ Das kann R’n’B, Rap oder House sein – aber auch mal ein Hit von Abba. Eines aber ist Kinzlers Credo: Wenn ihr ein Lied nicht gefällt, spielt sie es nicht – „und wenn es noch so weit oben in den Charts ist“.

In den 90ern zu verharren, schlimmstenfalls nostalgisch zu werden, sei aber nicht die Idee von Breakdance No. 1, sagt Kinzler. „Wir haben das Karussell immer wieder angepasst, haben das Lichtkonzept erneuert – Breakdance heute sieht ganz anders aus als damals. Wir können doch nicht stehen bleiben.“ Seit kurzem hat sie auch den jungen Schausteller Robert Rasch als Partner ins Unternehmen geholt. So ist die Zukunft des Breakdance No. 1 gesichert. Wie lange Patricia Kinzler, die die Frage nach ihrem Alter charmant lächelnd wegschweigt, noch an den Hebeln sitzen wird? „Mein Job hält mich jung. Aber natürlich ist es auch wichtig, dass man den Absprung nicht verpasst.“

Es gibt treue Fans, die kommen seit Jahren, um Breakdance No. 1 zu fahren. Marcel Schnipp ist so einer. Warum? „Ich liebe ihre Stimme.“ Da muss Patricia Kinzler dann selbst ein wenig lächeln.